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Lenke meine Fuesse Herr

Lenke meine Fuesse Herr

Titel: Lenke meine Fuesse Herr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Wittenberg
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später habe ich in der rappelvollen Herberge ein Bett; die Duschen sind umlagert, doch gegen 18.00 Uhr treffe ich mich frisch und sauber mit Jacques auf dem Platz vor der Herberge und er spendiert mir ein Bier. Das Abendessen wird noch eine fröhliche Angelegenheit — und gut! Neben mir sitzt eine Französin, die gut Deutsch spricht und die Unterhaltung springt angeregt über den Tisch zwischen den Nationen hin und her: Belgier, Franzosen, Deutsche. Doch gegen halb zehn liegt alles todmüde in den Betten.

Donnerstag, 9. Juni 2005
Saint-Alban-sur-LImagnole – Finieyrols 31 km

    Nach einer guten Nacht bin ich kurz vor sechs auf den Beinen. Ich habe heute viel vor — mindestens 25 Kilometer! Es ist kühl, doch die Sonne scheint. Ich sitze vor dem Frühstück noch ein bisschen auf der Terrasse über den Dächern des Ortes, umgeben von der Wäsche, die lustig auf den Leinen flattert, und schreibe Tagebuch. Die ganze Clique versammelt sich noch einmal am Frühstückstisch, doch kurz vor halb acht sage ich Lebewohl. Keiner will heute weiter als bis nach Aumont-Aubrac, und das ist mir entschieden zu wenig. Durch das weite Tal, den gegenüberliegenden Hang hinauf — ich überhole zwei Deutsche, die von der Seite auf den Weg eingebogen sind: Sie haben die Nacht auf dem Campingplatz verbracht. Bald habe ich sie hinter mir außer Sicht, höre aber noch lange, wie sie pausenlos miteinander schwatzen. Gut, dass ich alleine bin!
    Kiefernwald und blühender Ginster, bergauf und dann hinab nach Les Estrels mit einer sehr schönen alten Kirche. Wieder einmal strahlt ein Raum Stille, Harmonie und Würde aus. Wenn nur die Heiligenfiguren nicht oft so grausam kitschig wären! Doch in der Französischen Revolution wurden die Kirchenschätze geplündert und alle Gemälde und Statuen stammen frühestens aus dem 19. Jahrhundert. Über eine alte Steinbrücke und wieder einmal den Berg hoch: Verlaufen kann man sich nicht, denn der Weg ist beiderseits kilometerlang mit Stacheldraht gesäumt, und wo der fehlt, warnen Schilder: Jagen verboten! Pilze sammeln verboten! Betreten verboten! Da tröstet auch der herrliche Blick zurück über die Täler nicht. Dann kommt ein langgezogenes Gefälle hinab ins Tal — das mag mein Schienbein gar nicht, und ich habe heute früh mein letztes Voltaren genommen. Schließlich bin ich in Aumont-Aubrac — das erste, was ich suche und finde, ist eine Apotheke. Doch ohne Rezept bekomme ich kein Voltaren. Ich sage also meinem Bein, dass es gefälligst ab sofort auch ohne Tabletten Ruhe zu geben habe! Dann in die Kirche — kein Platz zum Schauen, sondern zum Beten.
    Im Ort treffe ich die beiden geschwätzigen Deutschen wieder, sie haben eingekauft und suchen nun etwas zu Essen. Ein Santiagopilger kommt mir entgegen, ein Franzose: Am 20. April ist er in Santiago aufgebrochen — was habe ich da noch vor mir! Zwei große Café au lait am Hauptplatz, ein kurzes Gespräch mit einer jungen Französin, die ich aus der Herberge in Saint-Alban wiedererkenne — sie geht jetzt zum Bahnhof: Ihr Urlaub ist vorbei. Nicht jeder auf dieser Strecke ist ein Jakobspilger!
    Weiter: Unter der Bahn hindurch in den Wald, an einer Einfamilienhaussiedlung vorbei, die beinahe heimatlich wirkt. Langsam habe ich Kiefern und Ginster satt — seit der Schweiz begleiten sie mich nun schon, sie und der ewige Kuckuck! Weiter durch Wald und Weiden, vorbei an rastenden Wanderergruppen: Franzosen, die in Karawanen von zehn bis dreißig Wanderern in beiden Richtungen den GR 65 gehen. Vor La Caze-de-Peyre eine schöne Kapelle, nett ausgemalt, doch nur von außen alt. Im Ort selbst interessante Kirche mit bemerkenswerten Details — die gemeißelten Fußsteine der Gewölbe zum Beispiel. Weiter durchs Dorf — da ist ein Bushäuschen, ein Wasserhahn daneben: Hier mache ich erst einmal Mittagsrast. Während ich noch mein letztes altes Brot und die letzte Wurst aus Saint-Privat-d’Allier vertilge, kommen zwei Franzosengruppen in entgegengesetzter Richtung vorbei — ich komme gar nicht nach, mich für die vielen „Bon appetit“ zu bedanken!
    Weiter! Der Waldweg führt durch Kiefern und Ginster — irgendwann schreit es aus mir heraus: „Ich kann keine Kiefern und keinen Ginster mehr sehen!!“ Und dann, wenige Schritte weiter, endet der Wald und vor mir liegt das Aubrac!
    Gigantisch! Eine weite gewellte Landschaft, Grasflächen, mit riesigen Granitblöcken übersät, kilometerlange Steinmauern die Wege entlang und als Zaun zwischen den

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