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Lennox 01 - Lennox

Titel: Lennox 01 - Lennox Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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einer Fotosession mit Audrey Hepburn.
    Ich beschloss, später wiederzukommen.
     
    Jimmy Frater und ich hatten uns an einem nebligen Abend zufällig in einer Kneipe kennengelernt. Ich war noch nicht lange in Glasgow gewesen, und wir stanken beide ein wenig nach Krieg. In zuerst beiläufigem Geplauder hatten wir eine gemeinsame Vergangenheit entdeckt, und gegipfelt hatte der Abend in der düsteren Erkenntnis, im jeweils anderen eine ähnlich geschädigte Seele vor sich zu haben. Der Unterschied zwischen uns bestand darin, dass es Frater gelungen war, sein Leben wieder in eine Art Gleis zu lenken. Er arbeitete für die Hafenbehörde, und hin und wieder hatte es sich als recht wertvoll für mich erwiesen, ihn zu kennen.
    Ich bestellte für Frater ein Starkbier und für mich einen Roggenwhisky, während ich auf ihn wartete. Im Gegensatz zu mir war Frater verlässlich und solide. Ich wusste, ich konnte mich darauf verlassen, dass er pünktlich auf die Minute aufkreuzte.
    »Hattest du Gelegenheit, dir diese Codes anzusehen, die ich dir gegeben habe?«, fragte ich, nachdem er erschienen war.
    »Sag bloß nicht, du bist in irgendwas Illegales verwickelt, Lennox.«
    »Ich bin nicht in irgendwas Illegales verwickelt«, sagte ich. »Ich würde das zwar auf jeden Fall behaupten, aber diesmal ist es zufällig die Wahrheit. Es ist sogar so: Wenn ich richtig vermute, was diese Kodes angeht, übergebe ich die Sache der Polizei.«
    »Okay«, sagte Frater, ohne völlig überzeugt zu wirken. »Du liegst richtig. Jeder dieser Kodes gehört zu Frachtsendungen von CCI aus dem Hafen. Drei verschiedene Schiffe, von denen jedes mehrmals auftritt, aber unterschiedliche Ladelisten.«
    »Woraus besteht die Ladung?«
    »Maschinenteile. Hauptsächlich für landwirtschaftliche Geräte. Zwei Ladungen waren Ölbohrausrüstungen. Sämtliche Ladungen hatten eine Gemeinsamkeit, ihren Zielort. Akaba in Jordanien. Hilft dir das?«
    »Ein bisschen«, sagte ich. In Wirklichkeit war es eine große Hilfe: der Beweis für die Verbindung zum Nahen Osten, die ich bereits vermutet hatte.
    Ich trank noch ein paar mit Frater, bis er sich entschuldigte und sagte, er müsse zu Frau und Kind zurück. Das passte mir gut, weil ich mir noch an diesem Abend Smails vorknöpfen wollte. Außerdem deprimierte mich nichts mehr als Erfolg und Glück.
     
    Ronnie Smails’ Studio lag noch im Dunkeln, als ich wieder hinkam. Ich vermutete, dass er über dem Geschäft wohnte, aber auch im ersten Stock war kein Licht. Ich versuchte es erneut an der Ladentür; sie war noch immer abgeschlossen.
    Ich wartete, bis eine Tram vorbeigerattert war, und warf einen Blick die Straße rauf und runter; dann wandte ich mich den vier kleinen Glasscheiben in der Tür zu. An einer stocherte ich am Kitt, der unter meiner Berührung zerbröselte. Ich machte mich daran, mit dem Taschenmesser die Scheibe herauszuhebeln. Sie gab bald nach, und ich schob die Hand durch die Öffnung und entriegelte die Tür. Bei heruntergelassenen Jalousien hielt ich es für okay, das Licht einzuschalten.
    Smails’ Talent als Fotograf konnte ich noch nicht beurteilen; als Raumpfleger jedenfalls hätte ich ihn kaum eingestellt. Das Studio war schmutzig und sah aus, als wäre es monatelang nicht gefegt worden. Ich sah mir die Schaukästen an und fand eine Sammlung von Fotografien, hauptsächlich Hochzeitsbilder und Porträts, von denen einige uralt waren. Smails schien nicht in Arbeit zu ersticken.
    Ich ging weiter in die Dunkelkammer. An der Leine hingen Abzüge. Sie alle zeigten, was Paare normalerweise in der Hochzeitsnacht trieben. Hiermit also verdiente Smails sein Geld. Sämtliche Fotos hatten gemeinsam, dass sie die körperliche Vereinigung von zwei oder mehr Individuen zeigten. Als verbindendes Stilelement fiel mir auf, dass alle Männer noch ihre Socken trugen.
    Ich durchwühlte einen Stahlschrank und fand weitere vorhersehbare Fick- und Blasaufnahmen. Es handelte sich allerdings ausnahmslos um Fotos, für die posiert worden war, und nicht um heimlich aufgenommene Erpresserbilder. Ein Satz Fotografien weckte merkwürdigerweise leichtes Heimweh in mir. Es handelte sich um das wohl kreativste unter den schweinischen Szenarien: eine pseudokanadische Landschaft, in der ein Mounty und ein Trapper einer jungen Dame, die teilweise als Eskimo gekleidet war, zeigten, wie man einen Bären harpunierte. Ich merkte, dass ich eine Träne im Augenwinkel hatte, und musste an mich halten, um nicht laut »Ach, Kanada!«

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