Lennox 01 - Lennox
meinem Büro zu fahren und bis kurz vor neun zu warten. Dann könnte ich Meldrum vermutlich in seiner Kanzlei auf der Wellington Street erwischen.
Als ich zum Büro fuhr, hörte ich im Autoradio den BBC Home Service. Eine Meldung beherrschte die Nachrichten. Ich fuhr rasch an den Straßenrand und hörte mir gespannt den ganzen Bericht an. Als die Puzzleteile sich zusammenfügten, fluchte ich laut, denn leider erkannte ich in dem Bild, das sich zusammengefügt hatte, die losbrechende Hölle. Mir war nun klar, weshalb die Drei Könige festgenommen worden waren. Ich fuhr unverzüglich zu Meldrums Büro und wartete vor der Tür, bis seine Angestellten eintrudelten. Ich folgte ihnen.
Eine hübsche Empfangsdame begrüßte mich ein wenig geringschätzig. Offenbar war sie verärgert, dass jemand auftauchte, ehe sie in ihren gewohnten Trott fallen konnte. Außerdem war sie ernsthaft ungehalten, weil ich keinen Termin hatte. Als ich ihr sagte, dass ich die Interessen von Mr. William Sneddon vertrat – wahrscheinlich auch von Mr. Michael Murphy und Mr. Jonathan Cohen –, wurde sie auf einmal sehr viel entgegenkommender.
Eine Stunde lang saß ich auf einem Stuhl im Wartebereich und versuchte herauszufinden, wie weit genau mir die Empfangsdame entgegenkommen würde. Endlich erschien Greasy George. Er war groß, gut gebaut und hatte eine beginnende Glatze. In seinem teuren blauen Maßanzug mit Nadelstreifen sah er schick aus. Ich fing ihn ab, als er den Empfangsbereich durchquerte.
»Ich habe viel von Ihnen gehört, Mr. Lennox«, sagte er freundlich. »Wir sind uns nur noch nie über den Weg gelaufen. Einige unserer gemeinsamen Klienten stellen Ihnen die besten Zeugnisse aus. Bitte ...« Er hielt mir die Tür zu seinem Büro auf.
»Ich habe versucht, Sie zu Hause zu erreichen«, sagte ich und setzte mich.
»Ich fürchte, ich habe bei Bekannten übernachtet.« Er lächelte noch immer. Es war die Sorte Lächeln, bei der man dem Betreffenden ohne Grund einfach in die Fresse schlagen möchte. »Meine liebe Frau und meine Kinder sind ein paar Tage verreist; deshalb habe ich die Gelegenheit ergriffen, meine Bekannten zu besuchen.«
»Ich verstehe«, sagte ich. Wir wussten beide, dass ich verstand. »Haben Sie die Neuigkeit schon gehört?«
»Welche Neuigkeit, Mr. Lennox?«
»Der bewaffnete Raubüberfall. Die große Story heute Morgen. Ich bin sicher, die Sache wird heute in den späteren Ausgaben der Zeitungen noch Schlagzeilen machen. Vom Arsenal von Fazakerly in Liverpool war ein Heerestransport zu den Kasernen Redford und Dreghorn unterwegs. Unterwegs wurde er von Polizeibeamten angehalten. Nur dass es keine Polizeibeamten waren. Es war ein hochgradig durchgeplanter Überfall, doch dann scheint irgendwas ganz furchtbar schiefgegangen zu sein. Als Ergebnis haben wir zwei tote Soldaten, einen übel zugerichteten Fahrer, der im Koma liegt, und eine Tonne verschwundener Maschinenpistolen des neuesten Modells.«
»Ich verstehe ...« Das Lächeln erlosch. »Vermutlich hängt es mit diesen entwendeten Uniformen zusammen.«
»Sie wissen von den Uniformen?«, fragte ich.
»Ja. Die Herren Sneddon, Murphy und Cohen haben die Aufmerksamkeit unserer Ordnungshüter in letzter Zeit ein wenig zu deutlich gespürt.«
»Deswegen bin ich hier. Sneddon hat mich heute früh angerufen. Die Kripo hat die Drei Könige und ihre Leute zum Verhör festgenommen. Sneddon möchte, dass Sie mit einer kostenlosen ›Du-kommst-aus-dem-Gefängnis-frei‹-Karte in die St. Andrew’s Street kommen.«
»Ich fürchte, kostenlos wird das nicht gerade.«
Ich grinste. »Ich schätze, Sie sollten die Gentlemen so schnell wie möglich rausholen. Schließlich zahlen die Drei Könige Ihnen ein bisschen mehr als nur die Schneiderrechnung.«
»Was auf uns beide zutrifft, soviel ich weiß.«
»Stimmt«, sagte ich. »Deshalb schlage ich vor, dass wir beide auf unsere Weise arbeiten, um unsere Brötchengeber freizubekommen.«
Wir gingen zusammen. Meldrum blieb kurz stehen und wies seine Sekretärin an, sämtliche Termine für den Tag abzusagen. Ich fragte mich, wie viele seiner Mandanten am Telefon waren. Es war schon eine Leistung, welch großen Prozentsatz dieser Leute er freibekam. Sein Ruf verbreitete sich beim Abschaum durch Mundpropaganda; jeder wusste, dass man Greasy George Meldrum nur dann zum Anwalt nahm, wenn man so schuldig war wie die Sünde.
Auf der Straße vor seinem Büro trennten wir uns. Er schüttelte mir die Hand und gab mir eine seiner
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