Lennox 01 - Lennox
den Drei Königen.« Ich trank noch einen Schluck Wasser. Mir war mittlerweile richtig schlecht, und ich wollte nicht mehr weiterreden. »Sie drei müssen zusammenarbeiten. Wir brauchen Ihre härtesten und erfahrensten Männer. Wenn wir wissen, welches Schiff es ist und wann es losfahren soll, schlagen wir zu. Und noch etwas. Ich glaube zwar nicht, dass jemand von Ihnen zur Sentimentalität neigt, aber ich muss eines klarstellen: Lillian Andrews mag eine Frau sein, aber sie ist genauso wie Tam der Kopf dieser Sache. Sie müssen sie entsprechend behandeln. Das ist alles.«
Im Raum schien ein Gewitter zu wüten, als Sneddon, Murphy und Jonny eine hitzige Debatte begannen. Ich saß da und spürte, wie mir bei jedem Pulsschlag der Schädel pochte. Ich schüttelte noch eine von Doc Banks’ Pferdetabletten aus der Flasche, brach sie in zwei Hälften, nahm sie mit dem Rest meines Wassers und schloss die Augen. Von draußen brandete Lärm heran, als wieder die Startklappen hochschnellten, Hunde losflitzten und die Menge aufbrüllte. Selbst mit geschlossenen Augen erschien mir wieder alles größer, greller und schärfer, als es sollte. Ich stellte mir vor, hören zu können, wie jede Pfote eines jeden Windhunds auf die Rennbahn trommelte. In meinen Eingeweiden kündete sich ein Gezeitenhub an. Ich öffnete die Augen und stand auf. Ich schaffte es zu der Tür, auf der »Toiletten« stand, ohne dass die anderen mich bemerkten, weil sie darüber palaverten, wer was tun sollte und wer wem etwas zu sagen hatte. Ich fand einen kurzen Korridor und eine weitere Tür mit der Aufschrift WC.
Ich schaffte es gerade rechtzeitig. Wieder würgte ich noch lange, nachdem mein Magen entleert war. Als ich fertig war, füllte ich mir am Waschbecken die Hand mit Wasser und spülte mir den Mund aus. Vermutlich war die Tablette mit hochgekommen, also nahm ich noch eine, halbierte sie und spülte sie mit Leitungswasser runter. Ich richtete mich auf und drückte die Stirn an die kalten Porzellanfliesen. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich Stimmen hörte. Nur waren sie zu laut: Es wurde nicht geredet, es wurde gebrüllt.
Ich ging den Korridor zurück und hörte, wie Glas splitterte und krachend Möbel zerbrachen. Mist. Ich hatte gedacht, sie brächten es irgendwie fertig, sich ausnahmsweise mal zusammenzuraufen, aber offenbar kamen sie nicht über das Niveau einer Kneipenschlägerei hinaus. Ich öffnete die Tür, um wieder den Raum zu betreten, schloss sie dann aber so rasch und leise ich konnte. Ich war ziemlich sicher, dass niemand mich bemerkt hatte, aber ich hatte genug gesehen. Ich öffnete die Tür einen Spalt und spähte hindurch. Sneddon, Murphy, Jonny und ihre jeweiligen Gorillas lagen am Boden, die Gesichter von stämmigen Highlandern in den roten Teppich gedrückt. Schlagstöcke pfiffen durch die Luft und krachten auf Rippen, Arme, Köpfe. Ich sah, wie Superintendent McNab gelassen das Schlachtfeld durchschritt. Ich vermutete, dass wenigstens zwanzig Bullen sich in dem Raum drängten, die Hälfte in Zivil, die anderen in Uniform.
Ich wich von der Tür zurück. Hätte ich den Raum betreten, wäre mir die gleiche Behandlung widerfahren wie den anderen, und ein weiterer kräftiger Schlag auf den Kopf hätte wahrscheinlich gereicht, mich ins Jenseits zu befördern. Es würde nur wenige Minuten dauern, bis die Polizei jeden in Handschellen abführte. Dann würde sie auf den Toiletten nach Versprengten suchen.
Ich ging durch die WC-Tür und schloss sie hinter mir, verriegelte sie aber nicht. Neben dem Spülkasten war ein hohes, schmales Milchglasfenster; aber es befand sich ziemlich hoch oben an der Wand. Das wird langsam zur Gewohnheit, ging es mir durch den Kopf, als ich mich mit einem Fuß auf das Klosett stellte, mit dem anderen an der Mauer abstützte, mich langsam hochschob, den Riegel löste und das Fenster aufschwang. Ich musste meine letzte Kraft aufbieten, um mich hochzuziehen und den Kopf und die rechte Schulter durchs Fenster zu winden. Aus zwei Stockwerken Höhe blickte ich auf den Parkplatz hinunter. Ich schob mich weiter hinaus und ergriff den Fensterrahmen, bekam ein Bein frei und stellte vorsichtig den Fuß auf das Fensterbrett. Im Gang vor der Toilette waren jetzt Stimmen zu hören. Ich schob mich ganz durchs Fenster und drückte es zu.
Nun war ich zwar draußen, zeichnete mich aber noch vor der Milchglasscheibe ab. Das Fensterbrett erstreckte sich auf beiden Seiten der Öffnung ungefähr einen Fuß weit, und ich
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