Lennox 02 - Lennox Rückkehr
sie umeinander herum, und plötzlich ist die Tür sperrangelweit offen für mehrere Killerschläge? Das war ganz klar Schiebung«, erwiderte Devereaux.
»Aber Kirkcaldy war auf dem Weg nach ganz oben. Jeder glaubte, er hätte eine gute Chance, heute Europameister zu werden. Warum sollte er den Kampf da absichtlich verlieren?«
Devereaux zuckte mit den Schultern. »Vielleicht wissen wir nicht alles über ihn. Vielleicht hat er Schulden. Vielleicht hat er nicht so viel Zukunft, wie jeder denkt.« Devereaux schien mich einen Augenblick lang zu mustern. »Sie sagen ja gar nichts, Lennox.«
»Ich? Ich habe auch nicht viel zu sagen, Dex. Ich bin ein bisschen sauer, dass der Kampf so eine Enttäuschung war, das ist alles.«
Nach einer Weile entfernten wir uns vom Thema Boxkampf, und ich war froh darüber. Das kleine Goldnugget an exklusivem Wissen über Kirkcaldys Herzkrankheit wollte mir nicht aus dem Sinn, und von dort bis zur Spitze meiner Zunge war es nur ein kurzes Stück. Besonders, wenn ich ein paar getrunken hatte.
Lange blieb ich nicht froh. Als Ferguson zur Toilette ging, beugte Devereaux sich vor und sagte leise:
»Jock hat gesagt, dass man Ihnen sehr viel Freiraum lässt, was den Costello-Mord betrifft. Inwieweit weiß die Glasgower Polizei, dass er mit John Largo zu tun hat?«
»Überhaupt nicht«, antwortete ich. »Schließlich weiß ich es auch nicht mit Sicherheit.« Ich beging die schlimmste Form der Lüge, die offensichtliche, und Devereaux sah mich nur an. Ich seufzte. »Okay, es ist denkbar, dass es Largo war, der Costello ermordet hat oder ermorden ließ. Ich möchte nur den Bruder meiner Klientin aus der Sache herausholen. Dann werde ich Ihnen Largo wie versprochen auf dem silbernen Tablett servieren. Sobald wir Sammy haben, bringen wir ihn zum Reden. Er ist meine – unsere – beste Hoffnung auf eine Spur zu Largo.«
»Okay, Lennox. Wie Sie meinen.«
»Was soll das heißen?«
»Dass Sie mir etwas verschweigen.«
»Wirklich? Was denn?«
»Alain Barnier.«
Das verschlug mir die Sprache. Zum Glück kam in diesem Augenblick Jock Ferguson von der Toilette zurück.
»Sind wir so weit?«, fragte er.
Devereaux trank den Whisky aus. »Wir können.«
***
Während wir im Horsehead waren, hatte es zu regnen angefangen. Das Straßenpflaster zeigte das ölig-glatte Schwarz einer Glasgower Nacht. Ich hatte Jock Ferguson versprochen, ihn nach Hause zu fahren.
»Ich kann Sie auch zuerst an Ihrem Hotel absetzen«, bot ich Devereaux an.
»Schon okay«, sagte er und quetschte seine beträchtliche Masse auf die enge Rückbank des Atlantics. »Ich fahre mit. So sehe ich noch ein bisschen vom nächtlichen Glasgow.« Mehr accompli hätte dieses fait nicht sein können. Ich zuckte mit den Schultern und setzte mich hinters Lenkrad.
Jock Ferguson, normalerweise auf der schwermütigen Seite der Trauerstimmung, war auf der Rückfahrt beträchtlich munterer als sonst. Der Abend und die Drinks hatten eine Tür in seiner Persönlichkeit geöffnet. Ich fragte mich, ob ich den Ferguson sah, den es vor dem Krieg gegeben hatte. Und ich wünschte mir, ich würde genauso leicht den Rückweg zu meinem Vorkriegs-Ich finden. Andererseits diente die Flasche den meisten Männern dabei als Kompass.
Nachdem wir Ferguson vor seiner anonymen Doppelhaushälfte abgesetzt hatten, kam Dex Devereaux nach vorn und setzte sich auf den Beifahrersitz.
»Okay, Johnny Canuck. Fahren wir ein Stück«, sagte er ohne jede Fröhlichkeit.
Der Regen legte wieder los. Wie aus Eimern klatschte er gegen die Windschutzscheibe. Auf den Straßen sah man keine Autos, und das einzige Hindernis auf dem Weg zum Alpha Hotel war ein Betrunkener mitten auf der Fahrbahn, der mit einem Fuß am Asphalt festgeklebt zu sein schien. Ich hupte, doch er schwenkte nur schlaff den Arm und beschimpfte mich mit unverständlichen Worten. Ich schlitterte um ihn herum und fuhr weiter.
»Diese Stadt hat ein interessantes Verhältnis zum Schnaps«, sagte Devereaux und seufzte. »Ich nehme an, wenn die meisten Verbrechen mit Trunkenheit zu tun haben, schult es nicht gerade den Verstand der Ermittler. Und die Burschen hier, die Stadtpolizei von Glasgow, sind nicht gerade die Hellsten. Womit ich nichts gegen Jock Ferguson gesagt haben will.«
»Ich habe die gleiche Feststellung auch schon gemacht«, sagte ich. »Früher.« Ich hielt den Blick auf die Fahrbahn gerichtet. »Warum sagen Sie nicht, was Sie sagen wollen, Dex?«
»Okay. Die Jungs sind keine großen Denker.
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