Lennox 02 - Lennox Rückkehr
die zusammengesunkene Gestalt hoch. Der Dunkelhaarige war noch immer groggy, starrte mich aber hasserfüllt an. Das gefiel mir so wenig, dass ich ihm einen Schlag mit dem Handrücken versetzte. Gleich zweimal, auf die unverletzte Hälfte seines Gesichts. Man musste Grenzen setzen.
»Um Himmels willen, Lennox, das reicht.« Sheila trat vor und starrte mich wütend an. Sie hatte recht. Es reichte. Ich war schon übers Ziel hinausgeschossen. In der Brust spürte ich das altbekannte heiße, beengte Gefühl. In mir schlummerte immer noch der Wunsch, andere zu verletzen, wie ich es im Krieg gelernt hatte.
Sheila starrte den Kerl an. Es war nicht zu verkennen, dass sie ihn nicht mochte. Wenigstens in der Hinsicht waren wir uns einig: Ich konnte den Burschen auch nicht besonders leiden.
Ich schleifte unseren Gast in die Wohnung und zerrte ihn in einen Sessel. Sheila folgte uns und lehnte sich gegen die Wand, steckte sich eine Zigarette an und sog den Rauch gierig ein. Davon abgesehen war sie ruhig und gefasst. Beeindruckend.
Ich musterte den Mann im Sessel: Mitte zwanzig, zweireihiger blauer Nadelstreifenanzug, nicht billig, aber auch nicht teuer. Gleiches galt für Hemd und Schlips. Mir fiel auf, dass seine braunen Lederschuhe nicht die neuesten waren. Am liebsten hätte ihn dafür noch einmal geohrfeigt: Zu blauen Nadelstreifen trägt man schwarze oder burgunderrote Schuhe, aber niemals braune.
»Wie heißt du?«, fragte ich.
»Leck mich am Arsch«, sagte er undeutlich und hielt sich das verletzte Handgelenk.
»Du bist in Gesellschaft einer Dame«, entgegnete ich und krallte die Faust in den Burton-Nadelstreifen. »Pass auf, was du sagst, sonst verhätschle ich dich noch ein bisschen mehr.«
Er blickte zu Sheila und murmelte etwas, das wie eine Entschuldigung klang.
»Also, wie heißt du?«
»Costello.«
»Sehr komisch. Abbott steht draußen Schmiere, was?« Ich drehte die Faust, dass die Nähte seines Anzugs krachten.
»Nein, es stimmt. Paul Costello. So heiße ich wirklich.«
Ich ließ ihn los und richtete mich auf. »Du bist Jimmy Costellos Junge?«
»Ja.« Plötzlich wirkte er wieder selbstsicher. »Du hast von meinem Dad gehört? Dann weißt du auch, dass es ihm nicht sehr gefallen wird, wenn er hört, was du mit mir gemacht hast.« Er hielt die Hand hoch und wandte mir die blutige Wange zu.
»Warum hast du einen Schlüssel zu dieser Wohnung?«, fragte ich.
»Kümmere dich um deine eigenen Angelegenheiten. Ich rufe jetzt meinen Alten an, und der wird dir ein für allemal Bescheid stoßen.«
Ich nickte. »Miss Gainsborough, könnten Sie im Wagen auf mich warten?« Ich hielt ihr die Autoschlüssel hin, aber sie nahm sie nicht.
»Was haben Sie vor?«, fragte sie. Ihre Stimme klang missbilligend und misstrauisch zugleich.
»Keine Sorge«, sagte Costello. »Der wird gar nichts machen. Er hatte keine Ahnung, mit wem er sich eingelassen hat, das arme Arschloch. Jetzt weiß er’s. Deshalb wird er jetzt versuchen, sich rauszureden. Aber das kann er sich von der Backe putzen.« Er sah mich höhnisch an.
»Wie Mr. Costello schon sagt, müssen wir uns ein bisschen unterhalten. Aber ich muss allein mit ihm sprechen.« Ich schüttelte die Autoschlüssel, als läutete ich eine Glocke. »Darf ich bitten?«
Mürrisch nahm Sheila die Schlüssel, verließ die Wohnung und knallte die Tür hinter sich zu. Als sie verschwunden war, blickte Costello mich hämisch an.
»Jetzt hast du die Hose voll, was? Du weißt genau, wer mein Vater ist. Du solltest lieber gucken, mit wem du’s zu tun hast, bevor du Scheiße baust.« Er verzog das Gesicht und hielt sein verletztes Gelenk mit der gesunden Hand. »Ich glaube, du hast mir das Handgelenk gebrochen.«
»Lass mal sehen.« Ich beugte mich vor. Costello beäugte mich misstrauisch. »Na komm schon, lass mal sehen.«
Er streckte die Hand vor, und ich betastete vorsichtig das Gelenk. Er schrie auf.
»So schlimm ist es nicht. Vielleicht ein paar Knochen angeknackst, mehr nicht.«
» Mehr nicht? Mann! Warte, bis mein Vater davon hört!«
»Du hast recht«, sagte ich, den Blick noch immer auf das Handgelenk gerichtet. »Man sollte genau gucken, mit wem man es zu tun hat, ehe man sich mit ihm anlegt. Nimm mich, zum Beispiel.«
Costello zuckte zusammen, als ich einen empfindlichen Punkt an seinem anschwellenden Handgelenk fand und mit dem Daumen zudrückte. Vielleicht hatte ich die paar Knochen doch mehr als nur angeknackst.
»Ich weiß genau, wer dein Vater ist.« Ich
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