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Lennox 02 - Lennox Rückkehr

Lennox 02 - Lennox Rückkehr

Titel: Lennox 02 - Lennox Rückkehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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vereinzelte teure Häuser. Die Sonne war wieder durchgebrochen, doch die drückende Schwüle vor dem Unwetter hing weiter in der Luft. Im Westen zeigte der Himmel die Farbe von Schiffbaustahl.
    Bobby Kirkcaldy gehörte hier nicht das teuerste einzeln stehende Haus, doch in Anbetracht seiner Herkunft aus Motherwell bedeutete es einen gewaltigen Schritt nach oben. Andererseits war es für Leute aus Motherwell schon ein Riesenschritt aufwärts, wenn es im Haus eine Toilette gab, die man nicht mit vier anderen Familien teilen musste. Ich muss aber zugeben, dass ich den Boxer Kirkcaldy bewunderte. Er hatte als Weltergewichtler angefangen und war später ins Mittelgewicht aufgestiegen, hatte aber eine gewisse Eleganz und Leichtfüßigkeit beibehalten. Zweimal hatte ich ihn schon kämpfen sehen, und es war, als hätte ich zwei völlig verschiedene Boxer vor mir gehabt. Kirkcaldy gehörte zu den Boxern, die eine ausgeprägte Körperintelligenz besitzen, auch wenn sie in anderer Hinsicht wahrscheinlich keine Geistesriesen sind. Sie improvisieren und feinjustieren in jeder Sekunde eines Kampfes, um sich den Bewegungen ihres Gegners anzupassen. Es war, als könnte Kirkcaldy in der ersten Minute der ersten Runde erkennen, was für ein Boxer sein Gegner war, und sich darauf einstellen: Wenn er gegen einen Infighter kämpfte, vergrößerte Kirkcaldy kaum merklich den Abstand und zwang seinen Gegner dadurch, die für ihn beste Kampfentfernung aufzugeben; stand er gegen einen Distanzboxer im Ring, bekämpfte er ihn auf kurze Entfernung mit schnellen Jabs, zwang ihn ständig zum Rückzug und drängte ihn in die Seile.
    In einem der beiden Kämpfe, die ich gesehen hatte, war Kirkcaldy gegen Pete McQuillan angetreten. McQuillan war ein harter Schläger, ein Puncher, ein Klotz von einem Mann, der Mühe hatte, sein Gewicht zu halten und im Mittelgewicht zu bleiben. Was seine Technik anging, stand er nur eine Stufe über den mit bloßen Fäusten kämpfenden Pikeys. Um einen Kampf zu gewinnen – und er war bis dahin ungeschlagen gewesen –, musste McQuillan es entweder auf einen Knockout anlegen oder das Gesicht seines Gegners dermaßen verunstalten, dass der Ringrichter den Kampf abbrach.
    Dann war McQuillan an Kirkcaldy geraten. Die beiden hatten einen erstaunlichen Anblick geboten: McQuillan schlug wilde Schwinger, die durch die Luft pfiffen, während Kirkcaldy um ihn herumtänzelte und mit gnadenloser Präzision einen Jab nach dem anderen schlug. Damit trieb er McQuillan in eine Position, in der dieser noch nie gewesen war: auf Abstand. Kirkcaldy siegte klar nach Punkten. Jetzt war er der hohe Favorit für die Europameisterschaft im Mittelgewicht beim Kampf gegen den Westdeutschen Jan Schmidtke. Und ich würde dabei sein. Ich hatte eine Eintrittskarte.
    Das Haus war ungefähr so groß wie das von MacFarlane in Pollokshields, aber noch nicht so alt; es stammte aus den Zwanziger- oder Dreißigerjahren und profitierte von einer prestigeträchtigeren Umgebung. Außerdem war es weiß gestrichen, was es im Sonnenlicht hell und fremdartig aussehen ließ. Die Haustür ging nach Süden, bekam aber Schatten vom Art-déco-Vordach aus roten Ziegeln. Die weiß getünchten Hauswände unter dem roten Dach und die Terrakottaziegel stellten den ehrgeizigen Versuch dar, dem Haus ein mediterranes Flair zu verschaffen, was in Schottland ungefähr so einfach ist, als wollte man Lon Chaney wie Clark Gable aussehen lassen.
    Als ich den Knopf der elektrischen Klingel drückte, wurde die Tür beinahe sofort geöffnet. Ich hatte den Eindruck, drinnen hatte man gehört, wie mein Atlantic sich die Auffahrt hinaufknirschte. Sie hielten nach Besuchern Ausschau, willkommenen und anderen, vermutete ich. Es war nicht Bobby Kirkcaldy, der mir öffnete, sondern jemand, der noch mehr nach Boxer aussah, ein älterer Mann in dunklem Anzug mit dünner Wollkrawatte. Er war schlank und wirkte fies, ja bösartig; er machte den Eindruck, als wäre er aus den härtesten Grundstoffen zusammengesetzt, die man hatte finden können. Er hatte weißes borstiges Haar und ein ledriges Gesicht mit tiefen Runzeln, das mehr als nur vom Wetter verwüstet war; alles, was irgendwelche Schäden anrichten konnte, schien sich in seinem Gesicht ausgetobt zu haben. Sein platter Riechkolben zeigte dieses dicke, gummöse, formlose Aussehen, das darauf hindeutete, dass die Nase zu oft gebrochen gewesen war, als dass noch Knorpel übrig sein konnte, um ihr eine erkennbare Gestalt zu geben. Der

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