Lennox 02 - Lennox Rückkehr
Schaden sprang einem nicht nur ins Auge, er war auch zu hören: Als der Mann sprach, klang seine Stimme gedämpft und näselnd, noch stärker als beim typischen Glasgower.
»Was woll’n Sie?«, fragte er.
»Ein ruhiges Leben, Geld, eine schöne Frau und inneren Frieden.«
Er sah mich ausdruckslos an. Man hatte ihm eindeutig nicht nur den Verstand, sondern auch den Humor aus der Birne geprügelt.
»Ich bin hier, um Bobby zu sprechen«, seufzte ich. Ich spürte, ich war hier nicht willkommen. »Mein Name ist Lennox. Ich werde erwartet.«
Er musterte mich von oben bis unten. Ich tat bei ihm das Gleiche. Sein Alter ließ sich nur schwer schätzen. Er hätte ein malträtierter Fünfziger oder ein fitter Siebziger sein können. Ganz offensichtlich war er ein ehemaliger Boxer, aber mir kam es vor, als hätte sein Gesicht außerhalb des Rings genauso viel eingesteckt wie während seiner Kämpfe. Ich neigte den Kopf zur Seite und lächelte ungeduldig. Der alte Krieger trat zur Seite und ließ mich ins Haus. Ich wollte ihm schon meinen Hut reichen, behielt ihn aber in der Hand und folgte ihm durch eine lange Diele mit Terrakottafliesen und geschmackvollen Bildern an den Wänden, darunter einige Originale. Da ich nicht davon ausging, dass ein in Motherwell aufgewachsener Boxer wie Kirkcaldy irgendeinen Kunstgeschmack hatte, schob ich die häusliche Ästhetik auf einen guten Innenarchitekten.
Der alte Boxer führte mich in ein großes Wohnzimmer mit riesigen Terrassentüren, durch die man über einen landschaftsbegärtnerten Garten hinweg auf die fernen grünen Hügel blicken konnte. Hier war es wirklich schön. Eine Schönheit, die man nur für eine Menge Geld bekommt. Dem Durchschnittsschotten wäre Bobby Kirkcaldys Haus wie ein Szenenaufbau in Hollywood erschienen. Alles, was ich sah, war beste Qualität. Wenn die Möbel nicht original Bauhaus oder Le Corbusier oder Eames waren, handelte es sich um sehr gute Kopien. Ein Bücherschrank nahm eine ganze Wand ein. Entweder war Kirkcaldy belesen, oder er hatte seinem Innenarchitekten befohlen, ihn klüger aussehen zu lassen, als er war. Wie in der Diele wirkten die Bilder an den Wänden des Wohnzimmers wie Originale. Die meisten waren modern und kantig – abstraktes Zeug –, doch sie hatten etwas an sich, das mir gefiel. Wie die Möbel waren die Gemälde neu.
Bobby Kirkcaldy stand auf, als wir hereinkamen. Er hatte auf einer Ledercouch an den Terrassentüren gesessen. Als er sich erhob und das Zimmer durchquerte, tat er es mit der gleichen mühelosen Geschmeidigkeit, mit der er sich im Ring bewegte. Er hatte dichtes dunkles Haar, und anders als bei dem alten Knaben neben mir zeigten sich in seinem Gesicht nicht die üblichen verräterischen Spuren einer Boxkarriere. Seine Nase war offenbar noch nie gebrochen gewesen, und man sah nur einen Anklang der hohen Jochbeine und der Kantigkeit des Kämpfergesichts. Er trug ein am Hals offenes Hemd und leichte Hosen. Die Kleidung wirkte unauffällig, aber man sah ihr den Herrschneider in der Jermyn Street an.
»Sie sind Lennox?«, fragte Kirkcaldy. Er lächelte nicht, verhielt sich aber auch nicht offen feindselig. Er gab sich geschäftsmäßig nüchtern.
»Ja. Sie wissen, weshalb ich hier bin?«
»Um sich den Unsinn anzusehen, der passiert ist. Sie wurden von Willie Sneddon engagiert. Um ehrlich zu sein, ich glaube, dieser ganze Scheiß macht Sneddon mehr Sorgen als mir.« Kirkcaldys Stimme war hell und klang beinahe sanft, doch als er Willie Sneddons Namen aussprach, gelang es ihm, eine Andeutung von Abscheu hören zu lassen. Er sprach ruhig und selbstsicher; die Herkunft aus Motherwell war ihm weniger anzuhören, als ich erwartet hatte. Wenn man ihn aus der Nähe betrachtete und nicht aus der Entfernung, die eine Boxhalle vorgab, sah man Intelligenz in seinen Augen. Da war allerdings noch etwas, das ich nicht benennen konnte. Aber kaum hatte ich es entdeckt, mochte ich den Mann plötzlich nicht mehr.
Ich drehte mich um, schaute den alten Sandsack an, der mich hereingeführt hatte, und wandte mich dann wieder Kirkcaldy zu.
»Das ist schon in Ordnung«, sagte Kirkcaldy. »Vor Onkel Bert können Sie offen reden. Er hat mich schon als Junge trainiert.«
Onkel Bert sah mich ausdruckslos an. Ihm war die Beweglichkeit der Muskulatur, die man brauchte, um eine Miene hervorzubringen, wahrscheinlich schon vor Jahren aus dem Gesicht geprügelt worden. Ich fragte mich insgeheim, was ihn als Boxtrainer qualifizierte, wenn ihm offenbar
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