Lennox 02 - Lennox Rückkehr
setzen kann.«
»Ich verstehe. Sie sind Lennox?« Seine Stimme war eine Spur zu hoch und klang ein bisschen weichlich. Ich lachte kurz auf bei dem Gedanken, dass ich offenbar erwartet hatte, Theateragent sei ein Beruf für robuste Kerle, so wie Stahlarbeiter oder Bergmann.
»Der bin ich«, sagte ich.
»Nun, Lennox ... haben Sie etwas zu berichten?«
Mannomann, mit diesem Tonfall verlor er meine Sympathie im Eiltempo.
»Deshalb rufe ich an«, sagte ich.
»Und?«, fragte er. Er sprach mit mir, als wäre ich ein Laufbursche – was ich ja auch war, um fair zu sein. Das galt aber auch für ihn.
»Miss Gainsborough sagte mir, ich könne sie unter dieser Nummer erreichen. Ich nehme an, Sie sind Whithorn ... Sehen Sie sie heute Abend?«
»Ich sehe Miss Gainsborough fast jeden Abend«, erwiderte er. Besitzergreifend. »Sie kommt in etwa einer halben Stunde.«
»Sagen Sie ihr, Lennox hätte angerufen. Und dass ich mich heute Abend noch einmal melde. Gegen zehn. Sie möchte es bitte einrichten, den Anruf anzunehmen.«
»Sagen Sie mir doch einfach, was Sie zu melden haben, und ich gebe es an sie weiter.«
Ich lachte wieder kurz auf, aber diesmal so laut, dass er es hören konnte. »Verschwiegenheitspflicht gegenüber dem Klienten, mein Freund. Ich dachte, mit diesem Konzept wären Sie vertraut.«
»Ich bin nicht nur Miss Gainsboroughs Agent, Mr. Lennox, ich bin ihr Berater. Ihr Freund.«
»Ich rufe um zehn noch mal an.« Ich legte auf, denn ich wollte erst einmal ein Gesicht mit der Stimme am anderen Ende der Leitung verbinden. Doch ich hatte bereits beschlossen, dass Humphrey Whithorns Gesicht mir in dem Augenblick missfallen würde, in dem ich es sah.
Ich ging zu meinem geparkten Auto zurück. Dem Wolseley, der drei Wagen hinter meinem Atlantic stand, schenkte ich keine besondere Aufmerksamkeit, bis ein großer Mann in einem formlosen Regenmantel und zu kleinem Filzhut ausstieg und mir den Weg verstellte. Ein zweiter Mann erschien neben mir, kleiner, aber stämmig und mit einer Visage gestraft, mit der man in einer Kneipe auf keinen Fall Blickkontakt aufnehmen würde. Und überall sonst auch nicht. Der zweite Kerl packte mich fest am Oberarm, genau über dem Ellbogen. Ich merkte den beiden sofort an, dass sie keine Polizisten waren. Sie waren die Gorillas von irgendjemandem.
»Okay, Lennox«, sagte der Regenmantel. »Mr. Costello will Sie sehen. Sofort.«
Ich empfand Erleichterung. Gewissermaßen. Sich mit Gorillas abgeben zu müssen ist ermüdend, aber die Burschen sind es gewöhnt, dass man tut, was sie sagen, sobald sie verraten, wer hinter ihnen steht. Doch Costello hatte nicht genügend Einfluss, und ich machte ein gelangweiltes, gereiztes Gesicht.
»Ach, will er das?«, entgegnete ich. Aus irgendeinem Grund trat mir Barniers unscheinbare, aber beharrliche Sekretärin vor Augen, und ich beschloss, ihrem Beispiel zu folgen. »Ich bin ein vielbeschäftigter Mann. Sagt Costello, er soll einen Termin machen.«
Die Finger schlossen sich fester um meinen Arm, und ich drehte mich dem zweiten Gorilla zu und lächelte. Es waren harte Kerle, deren Beruf es war, anderen wehzutun. Doch Jimmy Costello war nicht gerade als kriminelles Genie bekannt, und sein Mangel an Grips wirkte sich auch auf die Auswahl seiner Gorillas aus. Sie hatten mich wahrscheinlich den ganzen Tag beschattet, ohne dass ich sie im Regen bemerkt hätte. Den Kerlen hatte sich ein Dutzend geeignete Stellen geboten, um mich einzukassieren, aber wir befanden uns an keiner davon. Stattdessen hatten sie sich so ziemlich den dämlichsten Ort dazu ausgesucht, mitten im Geschäftsviertel vor einem renommierten Esslokal. Nur zwei Häuserblocks entfernt befand sich ein Polizeirevier. Nein, eine dümmere Wahl hätten sie wirklich nicht treffen können. Es gab keine Stelle, an der ich bessere Chancen gehabt hätte davonzukommen. Doch die Typen waren zu beschränkt, um das zu erkennen. Der Gorilla mit dem Schraubstockgriff um meinen Arm wirkte genauso selbstsicher wie sein Partner.
»Also«, sagte er mit einem hässlichen Grinsen. »Kommen Sie artig mit, oder machen Sie Theater?«
Im Krieg habe ich etwas über mich herausgefunden. Hätte ich nie davon erfahren, hätte ich mein ganzes restliches Leben wunderbar verbringen können, ohne es je zu vermissen. Denn es war etwas Hässliches, Düsteres. Manchmal lag ich nachts schlaflos da und fragte mich, ob der Krieg es erschaffen hatte oder ob es die ganze Zeit da gewesen war, ohne den Krieg aber nie erwacht
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