Lennox 02 - Lennox Rückkehr
dann vergiss nie, er ist so verdreht, dass er Korkenzieher pisst. Ich wäre überrascht, wenn der junge Kirkcaldy sich mit so einem einlässt, egal aus welchem Grund.«
***
Ich verließ Dennistoun und aß im Horsehead zu Mittag – wenn man es so nennen will. Ich bestellte mir eine Pastete und ein Bier. Während ich experimentell das wissenschaftliche Prinzip bewies, nach dem Wasser und Fett sich nicht mischen, entdeckte ich am anderen Ende der Theke Joe Gallagher, einen befreundeten Journalisten. Das Wort »befreundet« benutze ich sehr locker, nicht nur in Bezug auf Joe, sondern allgemein für alle Glasgower Bekanntschaften, die ich seit meiner Ankunft in der Stadt gemacht habe. Saufkumpan wäre in Joes Fall wahrscheinlich ohnehin die bessere Beschreibung.
Bei Reportern sind Informationen viel billiger als bei Bullen. Normalerweise reichen ein Pint Bier und ein Whisky zum Nachspülen, um eine Verständigung einzuleiten, und deshalb machte ich die Runde an Joes Ende der Theke und fragte ihn, was er trinke.
Eine halbe Stunde später ging ich wieder. Mein Zeitungsfreund hatte mir gesagt, dass er Kirkcaldy schon mehrmals interviewt habe. Ein kluger Junge, nach Joes Meinung. Auch der ramponierte alte Wachhund, der offenbar nie von Kirkcaldys Seite wich, war ihm aufgefallen.
»Ja, er nennt ihn seinen Onkel, glaube ich«, hatte ich gemurmelt.
»Schöner Onkel«, hatte Joe gebrummt. »Das ist Bert Soutar. Ganz üble Nummer.«
***
Wir hatten genau halb neun. Ich bog in die lange, ansteigende Zufahrt, die durch einen Park voller dichter Büsche mit glänzenden Blättern führte, und fuhr hinauf zu Sneddons Villa. Es war ein schöner Abend. Das immer intensivere Blau des Himmels erschien als unpassender Hintergrund für die viktorianische Architektur von Sneddons Haus. Gotischer Stil und das gewohnte schottische Klima – dazu die schottische Wesensart – sind wie füreinander bestimmt. Selbst Sneddons schwarzer Bentley R-Type vor der Garage schien auf der Lauer zu liegen. Ich parkte dahinter und ging zum Haus hinauf; fast erwartete ich, dass Vincent Price die Tür öffnete und mich hineinbat, um mir sein Wachsfigurenkabinett zu zeigen. Mit Vincent Price wäre ich völlig einverstanden gewesen, doch als die Tür aufging, starrte Singer mich an. Dann trat er schweigend einen Schritt zur Seite, damit ich hinein konnte.
Sneddon verzichtete auf seine übliche Masche, mich erst mal schmoren zu lassen; ich wurde sofort in sein Arbeitszimmer geführt. Die Bücherregale waren schwer vor Gelehrsamkeit, und in dem Zimmer roch es nach Nussbaum und Leder. Manchmal bezweifle ich allerdings, dass Sneddon hier viel Zeit auf seine literarische Bildung verwendete.
»Sie haben schon etwas für mich?« Sneddon saß hinter einem Schreibtisch, für den anderthalb Bäume draufgegangen sein mussten. Ich hatte schon Flugzeugträger gesehen, die kleiner waren. Er trug einen maßgeschneiderten blauen Nadelstreifendreiteiler mit handgemachtem, blau-weiß gestreiftem Seidenhemd und einer pflaumenroten Krawatte. In der Kleidung hätte ein Börsenmakler aus Surrey stecken können, doch bei Sneddon strich sie nur die Rasiermessernarbe heraus und hob das harte, boshafte Gesicht hervor, in dem die Narbe prangte.
»Ich war gestern bei Kirkcaldy«, sagte ich.
»Und?«
»Ich weiß nicht, womit ich weitermachen soll. Kirkcaldy behauptet, er hätte mir nichts zu sagen. Bei diesem Job kann man nur warten und beobachten. Man muss den, der es macht, auf frischer Tat ertappen.«
»Dann warten und beobachten Sie eben.«
»Ich kann da nicht rund um die Uhr sitzen. Ehrlich gesagt, ich dachte, Sie würden dort ein paar von Ihren Jungs postieren, damit sie aus dem Stegreif ein bisschen Vergeltung üben, wenn die Burschen wieder auftauchen.«
»Ich habe Sie engagiert, weil ich will, dass Sie rausfinden, was los ist. Was wirklich los ist, meine ich.« Sneddons harter blaugrauer Blick bohrte sich in meine Augen.
»Verstehe. Also ist Jonny Cohen nicht der Einzige, der mehr hinter der Sache vermutet.«
Sneddon blickte über meine Schulter an mir vorbei und machte eine Kopfbewegung, als schickte er jemanden weg. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass Singer – lautlos wie immer – an der Tür stehen geblieben war. Ich hatte angenommen, er wäre längst verschwunden, nachdem er mich hineingeführt hatte. Wenn er meinetwegen dort gelauert hatte, war seine Mühe verschwendet.
»Ich habe verdammt viel Geld in Kirkcaldy investiert«, sagte Sneddon, als Singer
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