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Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Titel: Lennox 03 - Der dunkle Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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dass er es verlassen hatte und heute nicht mehr zurückkommen würde. Ich versuchte es bei ihm zu Hause, doch seine Frau sagte, er komme erst am Abend heim. Ich nannte ihr meinen Namen und kündigte an, es später noch einmal versuchen zu wollen. Dann überlegte ich, ob ich seine Lokale abklappern sollte in der Hoffnung, ihn zu finden, doch dann entschied ich mich, es vorerst dabei zu belassen.
    Ich hatte noch mehr zu erledigen.
    Die Adresse, die Jock Ferguson mir gegeben hatte, war in Torrance, einer wenig anregenden Kleinstadt nördlich Glasgows und zwei Stunden Autofahrt von Largs entfernt. Stewart Provans Haus erwies sich als teuer aussehender Steinbungalow, von denen es in den schottischen Kleinstädten nur so wimmelte: Sie demonstrierten, dass es ihren Bewohnern finanziell gut ging, ohne dass sie Fantasie oder Ehrgeiz besaßen. Es war die Architektur der Mittelmäßigkeit. In Provans Fall handelte es sich wohl mehr um einen geglückten Versuch der Anonymität.
    Er kam selbst an die Tür. Er sah aus wie Anfang fünfzig, aber ich wusste, dass er wenigstens sechzig sein musste. Er trug eine Flanellhose, ein Tattersall-Shirt und einen marineblauen Cardigan – die Uniform der britischen unteren Mittelschicht –, aber sein Gesicht passte nicht zu meiner Vorstellung. Keine Narben, keine gebrochene Nase, keine Blumenkohlohren: nur eine schlanke Härte, die einem sofort sagte, dass man sich mit ihm besser nicht anlegte. Ich glaubte zu bemerken, dass seine Schultern leicht absackten, als er mich vor seiner Türe stehen sah, und Resignation trat in sein Gesicht. Nicht zum ersten Mal kam es mir so vor, als würde ich erwartet werden.
    »Ja?«, fragte er und warf einen Blick an mir vorbei, den Weg hinunter zu der Stelle, wo mein Wagen am Straßenrand parkte, als wollte er überprüfen, wer mich begleitete.
    »Mr. Provan? Ich würde gern mit Ihnen reden, wenn es Ihnen recht ist.«
    »Hier? Oder …« Er machte eine Kopfbewegung zum Wagen.
    »Hier wäre sehr gut, Mr. Provan«, sagte ich und fragte mich, für wen er mich hielt, dass er glaubte, ich könnte ihn im Auto mitnehmen. Keine Polizei, vermutete ich.
    Ich beschloss, die Situation auszunutzen. »Ich nehme an, Sie wissen, worum es geht?«
    »Ich weiß es. Ich habe mit Ihnen gerechnet. Seit die Knochen hochgeholt wurden. Kommen Sie lieber rein.« Er trat mit noch resignierter absackenden Schultern beiseite. Ich ging an ihm vorbei in den Flur.
    Sein Schlag traf mich mit solcher Gewalt, dass ich nach vorn durch den halben Flur flog und mit dem Gesicht voran zu Boden ging, nachdem ich einen Schirmständer umgeworfen und seinen Inhalt überallhin verstreut hatte.
    Der Schmerzexplosion zufolge hatte er mir ins Kreuz getreten. Im nächsten Augenblick war er über mir und hielt mich mit dem Knie am Boden fest, presste auf genau den gleichen Punkt an meinem Rückgrat, den er getroffen hatte. Er schlang den Unterarm um meinen Hals und drückte mir damit die Kehle zu. Ich bekam keine Luft mehr und wusste, dass mir nur Sekunden blieben, ehe bei mir die Lichter ausgingen. Ich suchte nach seiner Hand, packte den kleinen Finger und riss ihn hart nach vorn. Ich wusste, ich hatte ihn ausgerenkt, aber er wusste auch, dass mir nur Sekunden blieben, und beachtete den Schmerz nicht. Ich drehte den Finger brutal herum, und das konnte er nicht mehr ignorieren. Er löste den Druck gerade so sehr, dass ich meine Schultern zur Seite verdrehen und ihn aus dem Gleichgewicht bringen konnte. Ich knallte ihn gegen die Wand, einmal, zweimal, und konnte mich genügend befreien, um ein Knie hochzunehmen. Meine Hand fiel auf einen festen Spazierstock, der aus dem Schirmständer gefallen war; ich riss ihn hoch und schlug damit blind zu, traf aber mein Ziel. Ich fuhr herum und schlug ihn wieder, und diesmal erwischte ich ihn seitlich am Kopf. Der Stock besaß nicht genug Masse, als dass mein Gegenspieler von dem Hieb bewusstlos geworden wäre, aber noch ein paar weitere Treffer machten ihn so benommen, dass ich auf die Beine kam. Ich riss den Webley aus dem Hosenbund und richtete den Revolver auf ihn. Er saß auf dem Boden, an die Wand gelehnt, und blickte mit einem merkwürdigen Ausdruck zu mir hoch. Es war eine Art schicksalsergebener, verächtlicher Trotz. Dieser Ausdruck verriet mir, was ich wissen wollte. Er dachte, ich wäre sein Henker.
    »Frau?«, fragte ich. Ich wusste, dass niemand sonst im Haus war, sonst hätte unser Lärm sie schon längst angelockt.
    »Tot. Seit sieben Jahren.«
    »Sie sind

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