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Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Titel: Lennox 03 - Der dunkle Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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ihr, dass ich im Central Hotel sei, aber wahrscheinlich heute oder morgen wieder auszöge. Sie schien aufrichtig erleichtert, von mir zu hören, und ich fragte, ob alles in Ordnung sei, was sie bestätigte. Aber ich merkte ihr an der Stimme an, dass sie müde war. Ich versprach ihr, mich wieder zu melden, und legte auf.
    Dann rief ich in Leonora Brysons Zimmer an, doch niemand nahm ab. Als ich es bei John Macready versuchte, hatte ich mehr Glück. Ich sagte ihr, dass ich auszöge und über meine Fortschritte berichten würde. Und ich fragte sie, wo Macready in den kommenden Tagen sein würde, bis sein Flugzeug startete. Ihr Ton war geschäftsmäßig wie immer, und keiner von uns beiden deutete auch nur mit einem Mucks an, was in der Nacht passiert war: sie, weil sie wahrscheinlich nicht allein im Zimmer war, und ich, weil die Situation so bizarr war, dass ich anzuzweifeln begann, ob es wirklich geschehen war, und mich fragte, ob ich es nur geträumt hätte.
    Nachdem ich die letzte Nacht im Central Hotel verbracht hatte, wappnete ich mich, wieder in die wirkliche Welt zu treten, und fand ein Hotel mit vernünftigen Preisen an der Gallowgate. Es war eher eine Pension als ein Hotel, und draußen hing ein Schild: KEINE HUNDE, KEINE SCHWARZEN, KEINE IREN. Ich kannte solche Schilder aus London und Südengland, aber in Glasgow sah ich so etwas zum ersten Mal. Mich begrüßte, oder eher sollte man sagen: überfiel ein kleines, rundliches, kahl werdendes Bündel Feindseligkeit, das erklärte, der Wirt zu sein. Er hatte einen Sprachfehler, der in Glasgow recht verbreitet war, ein feuchtes Lispeln, das jeden Reibelaut zu etwas verzerrt, das wie eine Störung im Radio klingt. Daher war es ziemliches Pech für ihn, dass er Mr. Simpson hieß. Oder Schchimmppschchon, wie er sich mir vorstellte.
    Ich widerstand dem Instinkt, mir das Gesicht mit dem Taschentuch trocken zu tupfen oder zu fragen, ob ich Nigger, meinen schwarzen Irischen Wolfshund, mit aufs Zimmer nehmen dürfe, und folgte Simpson die Treppe hoch. Als ich seine Frage, wie lange ich bleiben würde, mit »etwa eine Woche« beantwortete, blieb er auf der Stufe stehen und drehte sich mir zu, die schweineartige Stirn zu einem misstrauischen Runzeln verzogen.
    »Schchie schchind aber kein Ire, oder?«
    »Was? Ach so, mein Akzent … nein, ich bin Kanadier. Ist das okay? Ich hab aber mal ein Wochenende in Belfast verbracht …«
    Meine Ironie ging ihm unbemerkt circa eine Meile am fetten Arsch vorbei.
    »Daschch ischcht in Ordnung. Schcho lange Schchie kein Ire schchind …«
    Das Zimmer war einfach, aber sauber, und ich musste mir das Bad mit vier anderen Zimmern teilen; in der Lobby stand ein Münztelefon. Ein oder auch zwei Wochen würde das gehen, wenn es sein musste. Ich zahlte drei Tage im Voraus, Simpson nahm das Geld und verschwand ohne ein Wort des Dankes.
***
    Da Archie die Spur Billy Dunbars verfolgte, beschloss ich, mich dem Aufspüren Paul Downeys zu widmen, des Teilzeitfotografen, der John Macreadys beste Seite so glänzend eingefangen hatte.
    Den ersten Abend verbrachte ich damit, die wohlbekannten Schwulentreffs im Stadtzentrum in Augenschein zu nehmen: das Oak Café, die Royal Bar auf der West Nile Street und ein paar andere. Mit einem Ausflug nach Glasgow Green wollte ich noch warten. Wohin ich auch ging, ich prallte fast überall auf eine Wand des Misstrauens. Jeder hielt mich sofort für einen Bullen, der Homosexuelle in die Falle locken wollte. Ich wäre vermutlich weniger gekränkt gewesen, wenn sie geglaubt hätten, ich wollte nur mal ein bisschen gaffen.
    Ich versuchte das Misstrauen, ich könnte zu der falschen Seite gehören, damit zu umgehen, dass ich Geld für Informationen bot – aber damit machte ich offenbar alles nur noch schlimmer. Ich konnte es ihnen nicht verübeln, dass sie sich stumm stellten. Wie ich Macready bereits geschildert hatte, verfolgten das Glasgower Sittendezernat und die schottische Polizei Homosexuelle mit einem geradezu biblischen Eifer, der mich an der grundsätzlichen Natur des menschlichen Daseins zweifeln ließ. Ich hatte nie begriffen, weshalb Homosexualität überhaupt gesetzeswidrig war: Wenn Erwachsene einander in gegenseitigem Einvernehmen außerhalb des Dunstkreises von Kindern und Pferden mit freundlichen Waffen attackieren wollten, dann kapierte ich einfach nicht, was das die Polizei anging.
    Gleichzeitig mied ich die Toiletten, solange ich mich in einer Schwulenkneipe befand.
    Als ich das Royal verließ, wusste

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