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Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Titel: Lennox 03 - Der dunkle Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
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ihre Mitglieder. In Clydeside galt es als ungeschriebenes Gesetz, dass alles, was nicht niet- und nagelfest war – und darüber hinaus alles Niet- und Nagelfeste –, die Werft unter dem Regenmantel eines Monteurs oder in einer Schubkarre, die sich in der dichten Arbeitermenge verbarg, welche beim Schichtwechsel vom Werftgelände strömte, verlassen durfte.
    Auf den Werften wurde man den Langfingern nicht Herr, und die Häuser der Werftarbeiter in Clydebank waren berühmt für ihr eklektisches Dekor: Oft verband sich hier Mietskasernenchic mit Luxusdampfersaloneleganz, alles stimmungsvoll in den Grautönen der Schlachtschifftarnanstriche in Szene gesetzt. Archie, der Exbulle, hatte seine Pflicht als Nachtwächter falsch verstanden und verhindert, dass Bauholz, Farbe und Messingarmaturen im Wert von mehreren Hundert Pfund vom Werftgelände spazierten. Die Werftleitung hatte Archie nicht nachsehen können, seine Aufgabe unakzeptabel gut erfüllt zu haben, und er wurde entlassen. Seitdem hatte ich versucht, ihm an Arbeit zuzuschanzen, was ich nur konnte, darunter hin und wieder auch einen Job als Scheidungszeuge, und der freitägliche Transport der Werftlöhne trug zu seinem regelmäßigen Einkommen bei.
    Als ich in den Schalterraum kam, sprach Archie gerade mit MacGregor, dem ersten Buchhalter der Bank, der den Transport organisierte. MacGregor war einer von diesen verknöcherten jungen Knackern, wie man sie in einer Bank antrifft – ein Fünfundzwanzigjähriger, der im Eiltempo dem mittleren Alter zustrebte –, und Archie verdatterte ihn mit seinem Humor, wann immer sich eine Gelegenheit bot.
    Archie blickte mit seinen traurigen Alastair-Sim-Augen zu mir hinüber, während er die Transportliste unterschrieb. Sein Schlagstock hing wie ein Pudertäschchen an einer Schlaufe am Handgelenk.
    »Hier gibt’s irgendein Missverständnis, Boss«, sagte er mit todernster Miene. »Mr. MacGregor sagt, das Geld soll wie üblich zur Werft, dabei haben Sie doch gesagt, diese Woche fliegen wir damit nach Barbados.«
    »Beachten Sie Archie gar nicht, Mr. MacGregor«, sagte ich. »Er nimmt Sie auf den Arm. Mit Barbados hat Großbritannien einen Auslieferungsvertrag; wir wollen nach Spanien.«
    »Über solch eine Summe Geldes scherzt man nicht, Mr. Lennox«, sagte MacGregor über eine Brille hinweg, die ihm die Nase heruntergerutscht war; ein weiteres fehlgeleitetes Gehabe der mittelalten Mittelschicht. »Sie rufen dann wie üblich an, um die Ablieferung zu bestätigen?«
    Ich sagte, das würde ich tun, und machte Archie ein Zeichen, auf der Straße Posten zu beziehen, während ich die Geldsäcke in den Laderaum des Lieferwagens wuchtete.
    Die Fahrt war wie üblich ereignislos: Ich fuhr, Archie saß schwermütig bei den Postsäcken im Laderaum. Wir luden das Geld im Lohnbüro der Werft ab, und ich benachrichtigte MacGregor telefonisch von der Ablieferung. Auf der Rückfahrt saß Archie vorn neben mir.
    »Ich weiß, dass es Sie hart getroffen hat, als Sie den Job als Nachtwächter verloren haben«, begann ich meinen Anschlag auf ihn. »Hören Sie zu, Archie, ich bekomme immer mehr zu tun und könnte Hilfe brauchen. Ein Vollzeitjob ist es nicht, jedenfalls noch eine ganze Weile nicht, aber wenn die Dinge sich weiterentwickeln, wie es gerade aussieht, könnte es irgendwann so weit sein. Sind Sie interessiert?«
    Er sah mich mit seinen großen, kummervollen Augen an. »Wären das die gleichen Sachen, wie ich sie in letzter Zeit für Sie gemacht habe?«
    »Ja … Scheidungssachen, Sicherungsaufträge, Vermisstenfälle. Schuhsohlen ablaufen und an Türen klopfen und dergleichen.« Ich setzte Archie zunehmend bei Scheidungsfällen ein. Eine Zeugenaussage klang vor Gericht immer besser, wenn sie von einem pensionierten Polizeibeamten stammte, und Archies immerfort düstere Ausstrahlung schien seinen Worten weiteres Gewicht zu verleihen. Außerdem wurde ich im Zeugenstand außerordentlich nervös, und darauf stürzte sich jeder Anwalt instinktiv. Wenn ich ehrlich bin, machte ich mir Sorgen, irgendein heller Kopf von jungem Rechtsbeistand könnte meinen Leumund in Zweifel ziehen, um meine Zeugenaussage zu entkräften. Und zu meinem Leumund – oder besser: meinem in allen Farben des Regenbogens schillernden Ansehen – stellte man besser keine Fragen.
    »Verstehe …« Archie ließ sich tiefer in den Beifahrersitz sinken und rieb sich nachdenklich das Kinn. »Ich hatte allerdings auch den Vorstandsvorsitz bei ICI in Betracht gezogen … aber

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