Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Lennox 03 - Der dunkle Schlaf

Titel: Lennox 03 - Der dunkle Schlaf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Craig Russell
Vom Netzwerk:
Frank, aber ich weiß nicht, in welcher Badeanstalt er arbeitet. Mehr kann ich Ihnen nicht sagen, Mr. Lennox. Tut mir leid.«
    »Es bringt mich vielleicht weiter. Danke.«
    Wir durchquerten eine flache, offene Landschaft, während wir uns Milngavie näherten. In weiter Ferne – als dunkelgraue Silhouette im helleren Grau des Nebels – sah ich eine Art überdimensionale Zigarre, die an einem Gerüst hing, das sich quer über den Horizont zog. Ich hatte diese Konstruktion schon früher gesehen, und zwar nicht nur die verschwommenen Umrisse. Das Gebilde sah aus, als würde Michael Rennie jeden Moment aus der Kapsel heraustreten und der staunenden Weltgemeinschaft erklären, er käme in guter Absicht von einem fremden Planeten und wolle die Erde vor der atomaren Zerstörung retten. Ich hatte mich immer gefragt, wofür das Ding zum Teufel gut sei. Ich beschloss, mir zunutze zu machen, dass ich einen ansässigen Milngavier bei mir im Auto hatte.
    »Ach das? Das ist das Schienenflugzeug von George Bennie«, antwortete MacGregor auf meine Frage. »Das stand schon vor dem Krieg hier. Von den Schienen, an denen es hängt, gab es viel mehr, aber sie wurden im Krieg zusammen mit den Geländern abgebaut und der Stahlproduktion zugeführt.«
    »Schienenflugzeug? Aber es hat doch einen Propeller!«
    »Jawohl. Es wurde in der Zwanzigern oder Dreißigern gebaut. Es sollte das Transportmittel der Zukunft sein, eine Mischung aus Zug und Flugzeug, und mit über hundert Meilen in der Stunde fahren, müssen Sie wissen. Aber niemand wollte es finanzieren, und deshalb kam es nie zu mehr als dieser Teststrecke.«
    Ich dachte an Träume von einer Zukunft, die nie eingetreten war: die Empire Exhibition von 1938, die ein saubereres, helleres Glasgow aus lauter Art-déco-Gebäuden versprochen hatte, und das seltsame Schienenflugzeug, das mit unvorstellbarer Expressgeschwindigkeit die Städte untereinander verbinden sollte. Dazu hätte es kommen können. Es war wie mit meinem Traum während des Krieges, nach Kanada zurückzukehren und ein anständiges Leben aufzubauen. Im Krieg war so manches gestorben. Ideale und Visionen und fünfzig Millionen Menschen.
    Ich setzte MacGregor vor einem Bungalow in Milngavie ab, und er räumte verlegen ein, dass er dort bei seinen Eltern wohnte. Ehe er aus dem Wagen stieg, zögerte er.
    »Sie werden nichts sagen, oder, Mr. Lennox?«
    »Was heute Abend passiert ist, bleibt unter uns«, sagte ich.
    »Ich bin Ihnen sehr dankbar, Mr. Lennox. Ich stehe tief in Ihrer Schuld.«
    Oh ja, das weiß ich , sagte ich zu dem leeren Wagen, als ich abfuhr. Das weiß ich .
***
    Zu einer Zeit, als sich das viktorianische Glasgow zwar in der Bevölkerungszahl, aber nicht in der Fläche ausdehnte, führte die mangelnde Verbreitung von Badezimmern in den Häusern zu einer schwerwiegenden Gefährdung der Volksgesundheit. Die ungewaschenen Bewohner Glasgows waren ein ernst zu nehmendes Problem. Die Antwort der Stadt bestand in der Errichtung einer Vielzahl öffentlicher Badehäuser und Stadien, türkischer Bäder und städtischer Wäschereien, die oft an öffentliche Schwimmanstalten angeschlossen waren.
    Im Glasgow der Fünfzigerjahre konnte man in den türkischen Bädern von Govanhill, Whitevale, Pollokshaws, Shettleston und Whiteinch sogar ein »Sonnenstrahlbad« nehmen, da echte Sonne über der Stadt so selten zu sehen war. Ein Sonnenstrahlbad kostete zwei Shilling; in Kombination mit einem türkisch-russischen Bad musste man viereinhalb Shilling blechen.
    Gebadet wurde nach Geschlechtern getrennt. Die Bäder hatten zwischen neun Uhr morgens und neun Uhr abends geöffnet, und zwar an unterschiedlichen Tagen für die verschiedenen Geschlechter, abwechselnd zwischen den einzelnen Anstalten. Inoffiziell gab es in wenigstens zwei Badehäusern feste Zeiten, zu denen man, wenn man bestimmte Neigungen hatte, gleichgesinnte Gentlemen kennenlernen konnte.
    Ich verbrachte zwei Abende damit, die Bäder auszukundschaften, und fragte jeden, ob er Paul Downey kenne, wo ich ihn finden könnte oder ob ein gewisser »Frank« hier arbeitete. Dabei traf ich auf unterschiedliche Reaktionen, von Feindseligkeit und Misstrauen wie in den Schwulenbars bis hin zu zermürbendem Entgegenkommen. Doch nichts brachte mich auch nur einen Zentimeter näher an Downey heran. Ich fand niemanden, der auch nur zugab, den Namen zu kennen.
    Trotz der Rückschläge und Entbehrungen, die Glasgow oft erdulden musste, war es eine stolze Stadt. Dieser Stolz äußerte sich

Weitere Kostenlose Bücher