Lennox 03 - Der dunkle Schlaf
befürchten, aber ich hatte viele solche Spaziergänge durch genau solche Wälder gemacht, und damals hatte sich darin durchaus Tödlicheres als Eichhörnchen und Karnickel versteckt.
Zehn Minuten später kam ich genau dort raus, wo ich geplant hatte, aber ich brauchte ein wenig, bis ich wusste, an welcher Stelle des Wegs ich mich befand. Ich blickte mich um und entdeckte einen größeren Stein am Wegesrand. Seine Form erinnerte an eine im Schlaf zusammengeringelte Katze, oder vielleicht sah auch nur ich es so. Jedenfalls war der Stein so ungewöhnlich, dass ich ihn wiedererkannte, und mit dem Fuß schob ich ihn ein Stück auf den Pfad. Auf dem Rückweg brauchte ich nur den Stein zu finden, dort nach links in den Wald abzubiegen und ginge schnurstracks auf die Grundstücksmauer zu.
Auch außerhalb des Schattens der Bäume wurde es dunkel. Ich wusste nicht, weshalb ich es tat, aber ich zog den Webley aus dem Hosenbund, klappte ihn auf und vergewisserte mich, dass die Trommel geladen war, dann ließ ich ihn wieder zuschnappen und steckte ihn zurück. Ich griff auch in meine Innentasche und vergewisserte mich, dass die Fotografie noch dort war.
Bis zum Cottage brauchte ich noch eine Viertelstunde. Es brannte kein Licht, und ich sah kein Lebenszeichen, daher vermutete ich, dass mein Glück mich verlassen hatte und niemand zu Hause war. Trotzdem ging ich an die Tür und klopfte, aber niemand öffnete mir. Ich stand einen Augenblick da und überlegte, ob ich die Fotografie mit einer Nachricht hinterlassen sollte, in der ich Dunbar bat, mich anzurufen, falls er den Mann auf dem Bild erkannte. Ich entschied mich dagegen. Ich hatte nur dieses eine Exemplar und musste vorsichtig damit umgehen: Immerhin konnte es mich mit einer ausgebrannten Mietwohnung und einem toten Schwulen in Verbindung bringen.
Ich verfluchte die Zeitverschwendung, für nichts den weiten Weg hierhergekommen zu sein, und wandte mich resigniert von der Tür ab. Ehe ich wieder dem Weg folgte, ging ich an ein Fenster des Cottages, legte meine Hände um die Augen und spähte durch die Scheibe. Dabei kam mir in den Sinn, was ich erlebt hatte, als ich das letzte Mal durch ein fremdes Fenster geblickt hatte, und ich hoffte mit einem leisen Lachen, dass ich nicht Dunbar und seine hässliche Frau in flagranti ertappte.
Nur den Bruchteil einer Sekunde später hörte ich auf zu lachen.
Ich riss den Webley aus dem Hosenbund und ging wieder zur Tür. Sie war nicht verschlossen, und ich drückte sie so weit auf, wie ich konnte. Während ich eintrat, musterte ich den Raum, bereit, auf alles und jeden zu schießen, der sich bewegte. Doch es war niemand da, im Zimmer sah alles wie bei meinem letzten Besuch aus, abzüglich dessen, was ich durchs Fenster gesehen hatte. Ich ging in die Küche. Ebenfalls kein ungebetener Besucher. Ich kehrte in den großen Raum zurück.
In der einbrechenden Dunkelheit konnte ich nur mit Schwierigkeiten sehen, aber ich wagte es nicht, Licht zu machen. Hier und in dieser Situation wollte ich nicht auf mich aufmerksam machen. Ich sandte ein stilles Dankgebet zum Himmel, dass ich meinen Wagen dort geparkt hatte, wo er jetzt stand, außer Sicht.
Billy Dunbar lag auf dem Fußboden vor dem Sofa. Seine Kehle war durchgeschnitten, und die klaffende Wunde erinnerte mich an ein breites Clownsgrinsen. In dem schwachen Licht konnte ich gerade noch die rote Verfärbung des Teppichs unter seinem Kopf erkennen. Seine Frau lag am anderen Ende des Zimmers. Gleiche Geschichte.
Ich legte den Handrücken an Dunbars Stirn. Eiskalt. Ich nahm an, dass er wenigstens eine Stunde tot war.
Still stand ich mitten im Zimmer, berührte nichts, lauschte auf alles, was mir vielleicht verriet, dass sich jemand dem Cottage näherte, und versuchte zu begreifen, was zum Teufel das alles zu bedeuten hatte und was ich deswegen unternehmen sollte.
Ich überlegte, zur Polizei zu gehen, aber ich befand mich außerhalb Glasgows, und es wäre recht schwer, meine komplizierte Verstrickung irgendeinem Hinterwäldler in Uniform zu erklären, der Schwierigkeiten mit den einfachsten Dingen hatte, zum Beispiel mit der Tatsache, dass eine Heirat zwischen Cousin und Cousine ersten Grades wirklich keine gute Idee war.
Ich wusste nichts über das gesellschaftliche Leben von Wildhütern, aber ich beschloss, mich so schnell wie möglich so weit wie möglich zu entfernen, nur für den Fall, dass jemand vom Gut auf einen guten Schluck vorbeikam oder vielleicht, um Schönheitstipps mit
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