Lenobias Versprechen: Eine House of Night Story (German Edition)
den Bischof ungehalten. »Was bitte soll dieses Kind getan haben?«
Der Bischof öffnete den Mund, um ihre Freveltat laut zu proklamieren, aber Lenobia kam ihm zuvor. »Ich bin nicht Cécile Marsan de la Tour d’Auvergne«, gestand sie. »Cécile starb an dem Morgen, an dem die Kutsche sie nach Le Havre bringen sollte. Ich bin eine andere Tochter des Herzogs von Bouillon – eine illegitime Tochter. Ich habe mich, ohne dass jemand im Schloss davon erfuhr, für Cécile ausgegeben, weil ich mir ein besseres Leben wünschte.« Sie sah der Nonne offen in die Augen. »Es tut mir leid, dass ich Euch angelogen habe, Schwester. Bitte vergebt mir.«
Fünf
»Nein, Messieurs, ich bedaure, aber Ihr müsst das Mädchen mir überlassen. Sie ist eine fille du roi und steht als solche unter dem Schutz der Ursulinen.« Schwester Marie Madeleine stand im Eingang der Kabine, die Tür halb zugezogen. Sie hatte Lenobia sofort auf ihre Pritsche geschickt und sich dann dem Bischof und dem Commodore entgegengestellt, die im Gang Position bezogen hatten, der Bischof noch immer wutschnaubend mit zornrotem Gesicht. Der Commodore hingegen schien zwischen Unmut und Belustigung zu schwanken. Auf die Worte der Nonne zuckte er mit den Schultern. »Na gut, sie steht unter Eurer Obhut, Schwester.«
»Sie ist ein Bastard und eine Hochstaplerin!«, beharrte der Bischof.
»Ein Bastard mag sie sein – eine Hochstaplerin ist sie nicht mehr«, erklärte die Nonne fest. »Sie hat ihren Frevel zugegeben und um Verzeihung gebeten. Ist es in diesem Falle nicht unsere Christenpflicht, zu vergeben und dem Kind zu helfen, sein Leben in die rechte Bahn zu lenken?«
»Ihr könnt doch nicht erwarten, ich würde Euch erlauben, die kleine Intrigantin an einen Edelmann zu verheiraten!«, schäumte der Bischof.
»Und Ihr könnt doch nicht erwarten, dass ich wortbrüchig werde und wider mein Gelübde der Ehrlichkeit handle«, konterte die Nonne.
Lenobia glaubte, quer durch das ganze Zimmer den heißen Zorn des Bischofs spüren zu können.
»Was habt Ihr dann mit ihr vor?«, wollte er wissen.
»Ich werde meinen Auftrag erfüllen und dafür sorgen, dass sie sicher und unangetastet in Nouvelle-Orléans ankommt. Dort wird es Sache des Rats der Ursulinen und natürlich des Mädchens selbst sein, wie ihre Zukunft aussehen wird.«
»Klingt vernünftig«, bemerkte der Commodore. »Kommt, Euer Exzellenz, überlassen wir die Frauenprobleme den Frauen. Ich habe noch eine Kiste ausgezeichneten Portweins. Lasst uns kosten, ob er die Reise bisher gut überstanden hat.« Er nickte der Schwester zum Abschied zu, schlug dem Bischof auf die Schulter und entfernte sich.
Der purpurgewandete Geistliche folgte ihm nicht sofort. Er blickte noch einmal an Schwester Marie Madeleine vorbei zu Lenobia hin, die auf ihrer Pritsche saß, die Arme um den Leib geschlungen. »Lügner und Sünder werden in Gottes heiligem Feuer verbrennen.«
»Nicht aber Kinder, glaube ich. Ich wünsche Euch einen guten Tag, Euer Exzellenz.« Und Schwester Marie Madeleine schlug ihm die Tür vor der Nase zu.
Im Zimmer war es so still, dass Lenobia Simonettes rasche, aufgeregte Atemzüge hören konnte.
Sie hob den Blick. »Es tut mir so leid.«
Die Nonne hob die Hand. »Beginnen wir doch mit deinem Namen. Deinem richtigen Namen.«
»Lenobia Whitehall.« Einen Moment lang überlagerte die Erleichterung darüber, ihren eigenen Namen wieder aussprechen zu dürfen, ihre Furcht und Scham, und sie war fähig, einen tiefen, stärkenden Atemzug zu tun. »Das ist mein richtiger Name.«
»Wie konntest du das tun? Dich als ein armes totes Mädchen ausgeben?« Simonette starrte Lenobia mit riesigen Augen an, als wäre diese ein Exemplar einer seltsamen, furchterregenden neu entdeckten Tierart.
Lenobia warf einen Blick auf die Nonne. Diese nickte. »Sie werden es alle wissen wollen. Antworte ihnen jetzt, dann hast du es hinter dir.«
»Ich habe mich nicht als Cécile ausgegeben. Ich habe eigentlich nur darüber geschwiegen.« Lenobia betrachtete Simonette in ihrem seidenen, mit Zobelpelz besetzten Kleid, eine Kette aus Perlen und Granat um den zierlichen weißen Hals. »Ihr wisst nicht, wie es ist, nichts zu besitzen – keinen Schutz – keine Zukunft. Ich wollte nicht Cécile sein. Ich wollte nur etwas Sicherheit und Glück.«
»Aber du bist illegitim«, sagte Aveline de Lafayette, die hübsche blonde jüngste Tochter des Marquis de Lafayette. »Du hast kein Anrecht auf das Leben einer ehelichen
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