Lenz, Siegfried
viel gebracht, gebratene Karbonade und Fischfilet. Ich muß aufmachen, ich muß sie hereinlassen. Komm, setz dich, sage ich, setz dich in den Sessel. Sie nimmt das Kopftuch nicht ab, sie hat es bestimmt eilig; wie achtlos sie die Frühstücksdose auf den Tisch schiebt, diesmal ist sie gewiß nicht nur gekommen, um mir etwas zu essen zu bringen, mit diesem Ernst hat sie nur selten dagesessen, mit dieser Besorgtheit. Ist was passiert, Magda? Mit dem Chef?
Ich hab dir was zu erzählen, Bruno, aber frag mich ja nicht, woher ich das weiß, ich weiß es eben, und du kannst dich darauf verlassen, daß es stimmt – wie tonlos sie das sagt, wie stockend, geradeso, als müsse sie ein Urteil überbringen. Nun sag schon, was geschehen ist. Warum sieht sie mich so an, als ob ich wer weiß was getan hätte, ich hab doch noch keinem ein Unglück gebracht; warum siehst du mich so an, Magda?
Deinetwegen, Bruno, sie haben das Entmündigungsverfahren auch deinetwegen angestrengt, so hab ich’s verstanden. Sie haben es getan und unterschrieben, weil der Chef einen Schenkungsvertrag hinterlegt hat, nach dem du das beste Land hier bekommen sollst, nach seinem Tod soll dir das beste Stück gehören und dazu einige Einrichtungen. Begreifst du, was das heißt? Wenn alles so kommt, wie der Chef es will, dann gehört dir hier vielleicht ein Drittel, ein Stück, das mehr wert ist als alles andere, stell dir bloß vor, was aus dir wird, wenn alles so kommt, wie der Chef es will – auf einmal hättest du hier etwas zu sagen.
Jetzt fängt es schon wieder an, dieses Durcheinander. Wer das nur in die Welt gesetzt hat, mir hat der Chef kein Wort darüber gesagt, nicht mal eine Andeutung hat er gemacht, daß da ein Schenkungsvertrag aufgesetzt und unterschrieben wurde, und damit du’s nur weißt, Magda, ich will nichts und ich erwarte nichts, nur bei ihm bleiben, solange es geht, das möchte ich, das allein. Warum schüttelt sie den Kopf? Hör mir gut zu, Bruno, was geschehen ist, ist geschehen, es gibt diesen Vertrag, diesen Schenkungsvertrag, doch die andern in der Festung, die können sich nicht damit abfinden, sie wollen nicht anerkennen, was der Chef verfügt hat, deshalb gehen sie gegen ihn vor, und auch du, Bruno, mußt dich auf etwas gefaßt machen, ich sag’s dir nur. Weil sie zuviel zu verlieren haben, werden sie auch etwas gegen dich unternehmen, das hab ich herausgehört. Schwachkopf, das hat einer gesagt, den sie zu Gast haben, und damit hat er wohl dich gemeint; er hat gesagt: dieser Schwachkopf hat doch kein Gefühl für Verantwortung, und wem dies Land zufällt, der muß zumindest die Pflichten kennen, die er übernimmt.
Wie leise Magda spricht, wie fern sie ist, alles verschwimmt und wird ungenau, und durch das Dröhnen Magdas Stimme: Ich weiß nicht, Bruno, ich weiß nicht, was du tun sollst, aber mit dem Chef sprechen, das mußt du.
Heute abend, Magda, da soll ich in die Festung kommen, sie haben mich bestellt. Geh noch nicht, bleib noch ein wenig, du mußt mir raten, was ich machen soll, was ich ihnen antworten soll – ja, ich weiß, daß du fort mußt. Gleich kommt die Ruhe zurück, wenn ihre Hand auf meiner Schulter liegt. Laß dir Zeit, Bruno, sagt sie, hör gut zu und laß dir Zeit und sag nicht zu schnell ja und nicht zu schnell nein, es steht für alle viel auf dem Spiel, da darf man nicht zu rasch antworten. Und sie sagt: Du mußt dir alles merken, du mußt mir alles erzählen, ich werde klopfen, und wenn es noch so spät ist. Ja.
Man hört überhaupt nicht, wie sie die Tür schließt, so sanft, so geräuschlos, mit zwei Sprungschritten ist sie auf dem Weg, umdrehen wird sie sich bestimmt nicht.
Er mit den gelblichen Nagezähnen, Murwitz, er hat hier gesagt: Es kommt noch allerhand auf Sie zu, Herr Messmer; und er hat auch gesagt, daß die Familie Zeller nicht gewillt ist, sich mit dem Schenkungsvertrag abzufinden. Wenn ich nur wüßte, was er gemeint hat, was da auf mich zukommt, aber etwas Gutes kann es nicht sein, das ist sicher, sie werden sich schon etwas ausdenken für mich, vielleicht werden sie mir nachspüren, mir Angst machen, wie damals, als bei uns Geräte und Saatgut und viele Jungpflanzen in Töpfen verschwanden und der Verdacht auf mich fiel. Der Verdacht. Da war immer einer hinter mir, einer, der mich im Auge behielt, Tag und Nacht, er trat unter den Bäumen des Dänenwäldchens hervor, als ich am Großen Teich die Pompesel brach, trat hervor und tauchte gleich wieder in den Schatten ein, er
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