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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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vorgestellt, an einem Tisch sitzend, auf dem ein aufgeschlagenes Buch liegt, und neben dem Buch stehen ein Krug mit Wasser und ein Becher, und durch ein sehr kleines Fenster fällt ein Lichtstrahl genau auf das Buch. Anders kann ich ihn mir gar nicht vorstellen. Viele, die sind, was sie haben, und wollen nichts anderes sein; das ist nicht gut. Ledig soll der Mensch sein, aller Dinge und Werke, innerer wie äußerer, ledig; das ist gut. Es ist nicht schlecht, wenn wir etwas besitzen oder tun, aber wir sollen nicht gebunden, gefesselt, gekettet sein an das, was wir besitzen oder tun.
    Woher nur die Müdigkeit kommt, sie steigt mit der Wärme auf, Abendwolken stehen über den Wiesen, über den betränten Wiesen an der Memel, die gurgelnd vorbeigeht, aber aus der Tiefe, da blitzt es herauf, geradeso, als ob kleine Sterne zerspringen, vielleicht ist der Fischkönig unterwegs auf dem Grund seines Flusses, zwischen Hechtkraut und allem Versunkenen, was sich da abgelagert hat.

Nein, ich gehe nicht zum Essen, und wenn sie sich noch so wundern werden: heute gehe ich nicht in die Küche, um meinen Teller an der Klappe in Empfang zu nehmen, süßsaure Linsen vermutlich, mit Speck abgemacht; früher, auf dem Kollerhof, da war das ein Lieblingsessen des Chefs. Über mein Lieblingsessen brauche ich gar nicht nachzudenken: nicht Aal in Gelee, nicht Hackbraten in Tomatensauce, und auch angeräuchertes Eisbein nicht, sondern von Anfang an und immer noch Gänseklein, schön in Erbsen zerkocht: bläulich funkelndes Magenfleisch, Hälse und Flochten und Hautstücke aus dem Rücken, mir macht die Rauheit nichts aus, die von den Federkielen kommt.
    Ina, die verzog bei Gänseklein immer das Gesicht und ließ ihre Fleischstücke gleich zu mir hin wandern, weil sie sich vor der fahlen Gänsehaut ein bißchen ekelte, Joachim mochte sie auch nicht gern, aber er aß sie, er rührte nur das Magenfleisch nicht an, das er auf dem Tellerrand häufte. Einmal sagte lna: Euch werden noch Federn wachsen eines Tages, und vielleicht werdet ihr über den Kollerhof fliegen.
    Lisbeth kocht nur selten mein Lieblingsgericht, und es schmeckt auch nicht so gut wie das Gänseklein, das Dorothea früher auftischte; dafür gelingen ihr Birnen mit Speckbohnen und Kohlrouladen und ein Zimtreis, von dem ich siebenmal mehr essen könnte, als sie mir zuteilt. Wenn Lisbeth gut gelaunt ist, dann gibt es mitunter etwas Besonderes, Schweinepfoten mit Bratkartoffeln oder Brotpudding mit Vanillesauce; gibt es nur Eintopf mit Rindfleischbrocken oder Stippe oder Kartoffelsuppe, dann weiß ich gleich, daß ihr etwas über die Leber gelaufen ist. Nein, ich geh nicht zum Essen rüber.
    Bei den Taxussämlingen: das könnte Elef sein, wer weiß, ob es mir noch vergönnt sein wird, ihn zu besuchen, Elef, der es unbedingt einigen Hollenhusenern nachmachen muß und auf dem Land nur in Holzpantinen herumläuft; wie der stelzt, wie der wackelt, das machen die Lehmbatzen unter den Sohlen. Einmal wollte er mich reinlegen, aufgeregt rief er mich zu sich, schnell, Herr Bruno, sehen Sie nur, Herr Bruno, also seine Holzpantinen, die hatten angeblich über Nacht Wurzeln geschlagen, feine Haarwurzeln, die zeigte er mir und ließ sie mich bewundern. Ich sah gleich, daß die feinen Wurzeln mit Lehm festgeklebt waren, aber ich sagte es nicht, ich sagte nur, daß die Pantinen nun viel Wasser haben müßten und nahm auch schon die Gießkanne und goß die Holzschuhe voll, damit hatte Elef gar nicht gerechnet, aber er lachte, als ich davonging. Er hat den Düngerstreuer einfach stehen lassen, anders als dieser Mirko, der mit dem Streuer bestimmt zum Essen gefahren wäre.
    Schweiß genügt nicht. Früher, hat der Chef gesagt, da wurde unser Land nur mit Schweiß gedüngt, aber davon wird kein Boden satt, wir können uns das gar nicht leisten; um den Boden dankbar zu machen, geben wir ihm Stallmist und Torf, Weißtorf, die sorgen für Nährstoffe und Humus – im Hühnerdung sind noch mehr Nährstoffe drin, doch der ist zu konzentriert, und Hornmehl und Hornspäne, die sind zu teuer. Vier Jahre hat der Chef gebraucht, bis wir wußten, daß Laubgehölze lieber Stallmist haben wollen, daß aber Koniferen besser wachsen, wenn sie Torf bekommen.
    Sieben; siebenmal klopft nur Magda, ja, es ist ihr Kopftuch mit dem Anker, dem Einrohr, dem geschlungenen Tau, gleich wird sie wieder klopfen, sie weiß, daß ich zuhause bin, Magda ahnt es, spürt es; in der zerbeulten Frühstücksdose hat sie mir früher schon

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