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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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acht, auf eure schönen Strickanzüge, jetzt ist es zu spät, um sich anzuschleichen, ich hab euch längst entdeckt, und falls ihr nach mir werfen solltet, dann werf ich zurück, heute werf ich zurück – aber so, daß keiner getroffen wird.
    Guten Morgen, Bruno. Na, sieht man euch mal wieder, sage ich. Was machst du da? Topfen, das müßt ihr doch wissen. Warum? Damit die Pflanze sich entwickelt, sage ich, und sage: Eigentlich müßtet auch ihr getopft werden, wenn ich bloß einen größeren Kübel hätte, ich würde euch reichlich Substrat geben und wässern, bis es überläuft. Sie stecken die Köpfe zusammen, bereden sich, bestimmt haben sie sich wieder etwas ausgedacht für mich, also los, kommt raus mit der Sprache und hört auf zu kichern.
    Ein Rätsel wollen sie mir aufgeben, das ist es, und wenn ich es rate, gehören die Karamelbonbons mir; na gut, fangt mal an, aber sagt es langsam auf. Sie verständigen sich, sprechen gemeinsam: Der arme Tropf, hat einen Hut und keinen Kopf, und hat dazu nur einen Fuß und keinen Schuh. Bis zehn soll gezählt werden, dann muß ich es wissen, also beginnt schon mit dem Zählen, ich weiß längst, daß es der Pilz ist, wenn ihr bei acht seid, sage ich es. Hat einen Hut und keinen Kopf – das kann nur der Pilz sein, stimmt’s? Wie verblüfft sie sind, wie ärgerlich, besonders Tim. Besprecht euch ruhig, von mir aus, kommt ruhig mit etwas Neuem.
    Und sie wieder wie aus einem Mund: Steht etwas am Rain, hat bloß ein Bein, einen verdrehten Zopf, und das Herz im Kopf. Das ist schwer, sage ich, sein Herz im Kopf hat wohl nicht jeder, doch wartet mal, wartet mal, vielleicht schaff ich es. Du nicht, sagt Tim und sieht mich an und beißt sich auf die Unterlippe, der ahnt nicht, daß ich die Lösung schon kenne, denn nur der Kohl hat sein Herz im Kopf, und auf einem Bein steht er ebenfalls, der Kohlkopf.
    Er hat Inas Augen; so furchtsam wie er hat sie mich auch einmal angesehen, an jenem Abend, als sie ein verschnürtes Päckchen im Großen Teich versenkte und ich aus den Erlen hervorkam, auch sie biß sich damals auf die Unterlippe und zitterte wie ertappt und sagte leise: Guntram hat Buch geführt; über alles, was er diesem Mann gegeben hat, hat er Buch geführt. Und plötzlich drehte sie sich um und ging fort.
    Acht, neun, zehn: Der Kohlkopf, der Kohlkopf, schreien beide und hüpfen, weil sie glauben, gewonnen zu haben. Jetzt zieht mal los, sage ich, denn bald kommt der Chef; sie gehorchen, sie schieben ab, das weiß ich schon: wenn ich mit dem Chef drohe, parieren sie.
    Es gibt wohl keinen bei uns, dem der Chef seine Anweisungen und Befehle lieber gibt als mir; die andern, die gucken erst einmal, die überlegen und zaudern und haben noch siebenundsiebzig Fragen, bei mir braucht er nicht viele Worte zu machen, zu zeigen, zu erklären, da heißt es einfach: Morgen Saat abdecken, oder: Bereite mal alles vor zur Winterhandveredelung, und Bruno weiß Bescheid und fängt an, ohne Zeit zu verlieren. Ich brauch nicht nachzufragen. Du allein, Bruno, aufladen.
    Allein belud ich den großen Anhänger mit herausgepflügten Bäumchen, es war lange nach Feierabend, keiner war Zeuge, ich trat und schnürte das junge Holz fest, wie es mir aufgegeben war, gezählt habe ich die Stämme nicht. Dann setzte ich mich an den Rand des aufgebrochenen, verwüsteten Eichenquartiers, mit dem Messer zog ich einem Bäumchen ein Stück Bast ab, kaute darauf, kaute die Süße heraus. Der Hund des Chefs kam, er leckte mir die Hände und sah mich an, ich warf ihm etwas Zerkautes hin, und er verschlang es und rannte schnüffelnd über das aufgebrochene Land und wühlte ein wenig in frischen Vertiefungen.
    Diese Klammer auf einmal, die sich um die Schläfen legte und Tränen aus den Augen preßte, und als der Schmerz zu klopfen begann, da warf ich mich hin und schlug mit dem Kopf auf den Boden, bis er mich rief, bis ich seine dreckigen Stiefel dicht vor mir sah und seinen Befehl hörte: Los, Bruno, komm hoch. Auf seinen Befehl stand ich auf, taumelte vielleicht ein bißchen, doch ich konnte schon tun, was er von mir verlangte: nachdem er den Traktor rückwärts an den Anhänger herangefahren hatte, steckte ich den Bolzen rein, befestigte die Sicherheitskette und schwang mich auf die festgezurrten Bäumchen hinauf, und kaum war ich oben, ging es auch schon los, durch die Dunkelheit nach Hollenhusen.
    Wir fuhren ohne Scheinwerfer, es ruckelte, es wippte auf dem Anhänger, nicht anders, als ob die Bäumchen

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