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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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Nestern zu nahe kamen, da griffen sie uns an, ihre Angriffe und Ablenkungen nutzten nichts, mir konnten sie nichts vormachen, schnell hatte ich mir ausgerechnet, wo ein Nest war, und ich holte mir die Eier und bot sie Max an zum Probieren. Ich zeigte ihm, wie man zwei Löchlein in das Ei macht, vorsichtig, ohne die Schale zu zerdrücken, und wie man das Ei auf einen Zug leertrinkt, doch er wollte es nicht ausprobieren, nicht einmal zusehen konnte er, wie ich die Kiebitzeier schluckte, er mußte die Augen schließen und sich abwenden.
    Vielleicht dachte er, daß ich ein angebrütetes Ei verschlucken könnte oder sogar ein Kiebitzküken, vielleicht dachte er das, aber ich sehe auf einen Blick und fühle nach kurzem Schlackern, wie weit alles im Innern des Eies ist, mir ist es nur einmal passiert, daß ich ein Ei leertrinken wollte, in dem schon ein Junges drin war. Was schon zu weit ist, das lege ich gleich zurück in die Nester, vor den Angriffen der Kiebitze braucht keiner Angst zu haben, sie machen nur Lärm, schreien und erschrecken mit Flügelklatschen und sausendem Luftzug, aber zustoßen und hacken, das tun Kiebitze nicht.
    Weil er es nicht über sich bringen konnte, die Eier zu probieren, wollte ich Max eine andere Freude machen, im Dänenwäldchen, ich wollte ihn zu der abgedeckten Grube führen, in der ich meine Wurzelleute versteckt hielt, Schlangenmänner und Beulenköpfe und krummfüßige Tänzer, wir hatten sie beim Roden ausgegraben, ausgerissen, ich und der Chef. In der Holle gewaschen, lange getrocknet und gebleicht, waren sie so hart wie die Spanten des ausgegrabenen Boots, keine Klinge konnte in sie eindringen, meine Wurzelleute bewahrten ihr mutwilliges Wachstum und ließen sich auf so viele Art zusammenstellen, daß ich mich oft nur wundern mußte über das, was den Wurzeln alles einfällt. Die dreibeinige Frau. Der Krakenmann. Der Straßenfeger und der Stelzengänger. Max sollte sich ein Stück aussuchen.
    Später, ich hab es ihm später geschenkt, denn wir waren noch nicht im Dänenwäldchen, da hörten wir den regelmäßig fallenden Schlag einer Axt und eine aufgebrachte Stimme; und wir sahen noch keinen, da wußten wir schon, daß es Lauritzens Stimme war, die polterte und drohte und sich mitunter vor Wut überschlug. Wir haben nur einen Blick gewechselt, Max und ich, und sind dann langsam weitergegangen, bis wir den Chef sehen konnten, der ruhig ein paar Stämme fällte, dünnere Stämme, die er für ein Gatter bestimmt hatte, er schien sich überhaupt nicht um Lauritzen zu kümmern, ja, er tat so, als bemerkte er ihn gar nicht, kennerisch faßte er einen Stamm ins Auge, fuhr einmal mit der Hand über ihn hin, schlug ihn um und begann gleich mit dem Entästen.
    Lauritzen wagte es wohl nicht, sich ihm in den Weg zu stellen oder ihm von vorn zu drohen, er hielt schön auf Abstand und knurrte und blaffte den Chef von der Seite an, redete dauernd von altem Recht und Gewohnheitsrecht und drohte mit Schleswig. In Schleswig sehen wir uns wieder, rief er einmal, und damit meinte er das Gericht. Durch das Farnkraut stapfte er dem Chef hinterher zum nächsten Stamm, eine seiner Wickelgamaschen hatte sich gelöst, wieselte ihm nach wie ein aufgegangener Verband, doch das hinderte ihn nicht, weiter zu krakehlen und den Chef zu beschuldigen, sich an fremdem Eigentum zu vergreifen, auf fremdem Grund zu räubern. Er tat so, als ob das Dänenwäldchen ihm gehörte, er rief: Das werdet ihr noch bereuen, und er rief auch: Ihr Hergelaufenen; und als er das rief, setzte der Chef die Axt auf den Boden und sah ihn zum ersten Mal an, sah ihn nur an, worauf Lauritzen schluckte und damit begann, seine Wickelgamasche Hand über Hand einzuholen. Ohne ein einziges Wort zu sagen, hat der Chef dann weitergearbeitet, bis er die benötigten Stämme beisammen hatte, er hat nichts entgegnet, nichts zurückgegeben, auch als Lauritzen noch einmal mit Schleswig drohte, bevor er endlich abschob. Zu uns sagte er nur: Anscheinend hat sich hier einer ziemlich aufgeregt, und mehr sagte er nicht, er nahm uns gleich ran und lud uns vier Stämme auf, zwei auf die linke, zwei auf die rechte Schulter, er selbst schulterte die breitschneidige Axt, und dann ging es zum Kollerhof, wo er ein morsches Gatter reparierte. Daß Max keine Zeit mehr hatte, um ihm zu helfen, hat er nur mit kurzem Nicken zur Kenntnis genommen und danach mit so erbitterter Genauigkeit einen Nagel ins Holz getrieben, daß ich eine Gänsehaut bekam.
    Ewaldsen schläft

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