Lenz, Siegfried
auf Schüsseln und Schalen verteilte; den Makrelen und Schleiheringen konnte man nicht mehr anmerken, daß sie auf dem nassen Feld gelegen hatten, auch den Sprotten und Bücklingen nicht, die sich leicht abwischen ließen, doch die Dorschfilets nahmen den Dreck in sich auf, und in den Kiemen und Mäulern der Fische hielten sich beharrlich Erdkrümel.
Endlich wachte er auf, griff sich ohne ein Wort einen Lappen und sprang umher wie gestochen, klaubte hastig verstreute Fische zusammen, wischte sie nicht nur, sondern blies sie auch sauber, und einige Schillerlocken leckte er sogar rein, ehe er sie in eine Kiste legte. Die Eisstückchen schmolzen beim Zusehen, wir konnten nicht alle auflesen, was sich brauchen ließ, das warfen wir auf die Filets. Wir hatten die Fische bereits eingesammelt, da entdeckte ich zum Glück das kleine Messinggewicht, und als wir daraufhin den Gewichtsständer prüften, zeigte es sich, daß alle Gewichte beim Sturz herausgefallen waren – nun ging ein Suchen los, aber so gewissenhaft wir auch alles inspizierten, zwei Gewichte konnten wir nicht finden, zwei von fünfen nicht. Heiner Walendy war sehr bedrückt, er jammerte ein bißchen, er fluchte und jammerte, vielleicht dachte er an das, was ihn zuhause erwartete. Als ich ihm vorschlug, zwei neue Gewichte zu kaufen, da sagte er, daß er überhaupt kein Geld hätte, und nicht nur dies: er hatte vorerst auch keine Aussicht, welches zu besitzen, da er alles, was er sich hier und da verdiente, gleich an seinen Stiefvater abliefern mußte, der ihn mit Vorliebe zu Geldstrafen verurteilte, Schläge allein waren ihm nicht genug. Plötzlich schluchzte Heiner Walendy, nie hätte ich gedacht, daß er, der die Schlechtigkeit im Blick hatte, schluchzen könnte, es war ein trockenes Schluchzen, das sich wie Schluckauf anhörte, da versprach ich ihm das Geld für die beiden andern Gewichte.
Wie ungläubig er mich darauf ansah, wie er gleichzeitig schluchzen und lächeln konnte; stammelnd gab er zu, daß er nicht immer gut zu mir gewesen war, er schüttelte den Kopf, als ob er sich selbst nicht verstehen könnte, und auf einmal nahm er meine Hand und sagte: Das werde ich dir nicht vergessen, Bruno, ab heute hast du einen Freund. Das sagte er, und dann klagte er über Schmerzen im Nacken und ging um das Dreirad herum und überlegte, wie es sich wieder aufrichten und auf die Räder bringen ließ, das nicht allzu schwere Dreirad. Mit zwei Stangen hätten wir es anwippen und hochwuchten können, doch es gab keine Stangen, und es gab auch kein Seil, mit dessen Hilfe wir das Gefährt hätten aufrichten können, wir stemmten und lüfteten und drückten, alles war umsonst, erst als Ewaldsen vorbeikam, als wir ihn heranwinkten, als er seine magere Schulter einsetzte, da ging es, und das Dreirad stand wieder. Schnell säuberten wir die Persenning und zurrten sie fest, wir wienerten die verdreckte Tür – für die Kratzer, glaubte Heiner Walendy, würde er schon eine Ausrede finden –, und zum Schluß luden wir die Fische auf und brachten auf der Ladefläche alles in die gewohnte Ordnung. Bruno, sagte er zum Abschied, und das war schon alles.
In der Dämmerung ging ich zum »Kiek in«, wo er und seine Freunde oft saßen, in einem Raum für sich; sie hatten dort ihre Musik und spielten Tischfußball und andere Spiele – im Sommer hatte ich sie dort manches Mal gesehen, durch das offene Fenster. Das Geld für die verlorenen Gewichte trug ich bei mir, ich hatte es aus dem Versteck am Bootsskelett geholt, sechs Mark in einzelnen Markstücken, die wollte ich Heiner Walendy bringen. Er war da, und er erkannte mich sofort, er stand von seinem Tisch, seinem Bier auf und kam auf mich zu, und gegen die Erwartung der anderen, die wohl dachten, daß er etwas mit mir anstellen würde, legte er mir eine Hand auf die Schulter und sagte: Gut, daß du kommst, Bruno, setz dich zu uns; und dann führte er mich an seinen Tisch, und alle rückten zusammen und duldeten mich. Obwohl ich nichts trinken wollte, schickte Heiner Walendy einen seiner Freunde in den Gastraum, um mir ein Bier zu holen, es war ein blasser Bursche mit Windhundgesicht, der maulend hinausschlurfte und sich viel Zeit ließ, und als er endlich zurückkam, blieb er hinter mir stehn; an den Gesichtern der andern merkte ich, daß er etwas mit mir vorhatte, vermutlich wollte er mir mutwillig etwas Bier auf meinen Kopf gießen, aber noch bevor ich aufsprang, sagte Heiner Walendy scharf: Laß den Quatsch, Arno, und setz
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