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Lenz, Siegfried

Lenz, Siegfried

Titel: Lenz, Siegfried Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Exerzierplatz
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sich am meisten für die Lage der Zimmer, ihn kümmerte nicht die Aussicht, die Himmelsrichtung; wer neben wem wohnen sollte, das fragte er wohl dreimal, und er war es, der wissen wollte, ob auch ich in das neue Haus einziehen würde. Gewiß hatte er damit gerechnet, daß der Chef mir eine andere Bleibe zuweisen würde, und er stierte nur vor sich hin, als Ina das Wunschhaus auf ihre Art entwarf, ein hohes, uneinnehmbares Haus unter der Sonne, der östliche Flügel mit Weinlaub behängt, die Rosenbeete schön geschwungen; auf der Terrasse zeichnete sie eine Dogge als Wächter hin, und aus übergroßen Fenstern ließ sie uns alle fröhlich herausgucken – mein Fenster war von Weinlaub umrankt. Ohne zu wissen, daß der Chef es einmal für sie tun würde, setzte sie vor ihrem Fenster einige Linden hin, ihre Lieblingsbäume, und dort, wo die Senke ist, deutete sie einen Weiher mit Gänsen und Enten an, aber den ließ der Chef nicht anlegen.
    War das ein Planen und Nachfragen und Anmelden von Wünschen; nur Dorothea hatte wenig zu fragen, sie schien bedrückt, sie schien ihre eigenen Sorgen zu haben, obwohl sie sich mit uns freute und wie zur Besiegelung Tee und Kokosplätzchen auftischte. Vor dem Einschlafen, allein in meiner Kammer – nur der Chef und Dorothea waren noch unten geblieben – hörte ich, was sie bedrückte, ich hörte ihre Bedenken, ihre Mahnungen und Zweifel. Sie war mit dem Bau der Festung einverstanden, sie freute sich, so wie wir uns freuten, doch sie wollte alles hinausgeschoben haben um wenigstens ein Jahr. Da nahm ich mir gleich vor, am nächsten Morgen zum Bootsskelett zu gehen und auszugraben, was ich mir gespart hatte.
    Zweimal brach der Stock, mit dem ich kratzte und scharrte, und weil sich mit den Fingern nur schlecht graben ließ in der backigen, vom Regen backigen Lehmerde, nahm ich den kurzstieligen Feldspaten und hob an den Steinen, die ich als Zeichen gesetzt hatte, kleine Löcher aus, ohne daß es nur ein einziges Mal knirschte oder klickte. Weg, alles war weg. Da blinkte mir nichts entgegen wie sonst. Ich hab mich hingesetzt und lange nachgedacht, über meine Freunde und den Regen, der die Spuren verwischt, und um mich zu beruhigen, hab ich Kirschkerne geknackt und das Kernfleisch gegessen, auch die Milchtropfen aus Löwenzahnstengeln hab ich geschluckt.
    Die Rufe immer: wie oft glaubte ich, daß ich gerufen werde, deutlich höre ich, wie sie meinen Namen in die Länge ziehn, doch wenn ich dann Ausschau halte, steht niemand in meiner Nähe. Bruno; ja, ja, ich komm schon. Das war die Stimme des Chefs, er stand am Fuß des Kommandohügels, dort, wo die gelbe Maschine wühlte und baggerte, wo sie dabei waren, auszuschachten und ein Stück des Grundes mit Eisenstangen markiert hatten, zwischen denen, locker gespannt, ein rotweißes Band lief. Ich sah sofort, daß da etwas geschehen war; nicht nur der Chef und der Maschinist, sondern auch Ewaldsen und ein paar andere standen auf einem frischen Erdhügel und starrten auf etwas hinab, standen nur und starrten, allen war anzumerken, daß sie da etwas Seltenes entdeckt hatten. Es war kein vollständig erhaltenes Skelett, das die gelbe Maschine mit ihrem bezahnten Baggereimer freigelegt hatte, ein Arm fehlte ihm, der Bagger hatte ihn mitgenommen und auf den Erdhaufen gekippt, aber sonst fehlte nichts, keine Rippe, kein Fußknöchel. Ewaldsen stieg hinab und scharrte behutsam Erdreste von den Knochen, den Schädel wischte er mit seinem Taschentuch sauber, im Brustkorb stocherte er und suchte gefühlvoll, ein Sieb, das er gern gehabt hätte, ließ sich nicht auftreiben. Der Maschinist drehte sich eine Zigarette und konnte immer nur sagen: Das hat mir grade noch gefehlt. Obwohl ich neben ihm stand, fragte der Chef: Wo bleibt denn Bruno? Und nachdem ich mich gemeldet hatte, schickte er mich los zur Wache, zu Duus: Sag ihm, er soll sofort kommen.
    Der wollte zuerst nicht, wie der Chef es verlangte. Duus guckte mich nur kopfschüttelnd an, als ich ihm sagte, daß wir dort, wo für die Festung ausgeschachtet wurde, allerhand Knochen gefunden hatten, er schnallte erst sein Lederzeug um, als ich von einem Toten sprach, der vom Bagger ans Licht gebracht worden war. Da kam er, da konnte es ihm nicht schnell genug gehen, und am Kommandohügel wollte er von jedem wissen, wann er von wo aus das Skelett entdeckt hatte, es gab eine Menge zu notieren für ihn. Als ich ihn fragte, ob das nicht das Gerippe des Feldwebels sein könnte, der hier vor langer Zeit

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