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Léon und Louise: Roman (German Edition)

Léon und Louise: Roman (German Edition)

Titel: Léon und Louise: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Capus
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bringe dir deine vierhundert Franc zurück.«
    »Vierhundert Franc?«
    »Achthundert mal fünfzig Centimes, erinnerst du dich? Ich wollte zum Busbahnhof Jaurès, und du hast mir geholfen.«
    »Martin?«
    »Hättest mich nicht wiedererkannt, wie? Jawohl, dein persönlicher Clochard bin ich, die Inkarnation deines reinen Gewissens.«
    »Wie lang ist das nun her, drei Jahre?«
    »Wir hatten die Dauer des Krieges damals auf drei bis vier Jahre geschätzt – gar nicht schlecht, wie?«
    »Noch ist er nicht vorbei.«
    »Aber bald. Für uns zumindest. Lass uns weitergehen, ich begleite dich ein Stück.«
    Der Mann sah zehn Jahre jünger aus als bei ihrer letzten Begegnung; seine Augen waren klar und die Haut auf den Nasenflügeln rein, er roch nicht nach Rotwein, und alles Körperfett schien von ihm abgefallen. Im Vergleich zu ihm, das musste Léon zugeben, war er in der Zwischenzeit merklich gealtert; zudem hatte er nach den Stunden im Hausboot wahrscheinlich eine ziemliche Rotweinfahne.
    »Seit wann bist du zurück in der Stadt?«
    »Ein paar Tage. Es wird ja nun nicht mehr lange dauern, wie du weißt.«
    »Ich weiß gar nichts.«
    »Natürlich weißt du’s, jedes Kind weiß es. Die Amerikaner liegen schon in Rouen, in Korsika braut sich ebenfalls was zusammen. Und wir selbst haben fünftausend Mann in der Stadt.«
    »Wer ist wir?«
    Martin zog ein weißes Stück Stoff aus der Jackentasche und zeigte es Léon. Es war eine Armbinde, auf der schwarz die Buchstaben FFL aufgedruckt waren.
    »Endlich«, sagte Léon.
    »Vielleicht geht’s morgen los, vielleicht erst nächste Woche.«
    »Wenn nur nicht vorher die Deutschen noch dasselbe machen wie in Warschau.«
    »Wir passen schon auf«, sagte Martin. »Aber du, Léon, solltest dich auch vorsehen.«
    »Wieso?«
    »Bald wird abgerechnet. Wir werden einigen Herrschaften die Ohren lang ziehen.«
    »Sehr gut.«
    »Es wird rasch gehen, und wir werden nicht zimperlich sein. Wir werden Backpfeifen verteilen, und wir werden zuvor keine Kaffeekränzchen und keine Plauderstündchen abhalten.«
    »Verstehe.«
    »Ich bin nicht sicher, ob du verstehst«, sagte Martin. »Du solltest dich wirklich vorsehen. Man spricht über dich, weißt du?«
    »Nein.«
    »Man spricht über den Kaffee, den die SS dir geschenkt hat. Man spricht über dein Hausboot. Und über deine Geldgeschichten.«
    »Aber ich …«
    »Ich weiß. Aber Kaffee ist Kaffee, und ein Hausboot ist ein Hausboot. Für solche Sachen wird’s in den nächsten Tagen Backpfeifen geben, und es wird nicht die Zeit sein für feine Unterscheidungen. Unsere Leute sind wütend, das musst du verstehen.«
    »Ich bin auch wütend. Und gerade du musst doch wissen …«
    »Ja, aber die anderen wissen es nicht, und sie werden kein Gehör haben für Wortklaubereien und Spitzfindigkeiten. In den Tagen, die anstehen, wird man erst Backpfeifen austeilen und hernach Fragen stellen. Deshalb musst du für ein paar Wochen verschwinden. Jetzt gleich, sofort, bis die Lage sich beruhigt hat. Dann kannst du wiederkommen und deine Kaffeegeschichten erklären.«
    »Wohin soll ich gehen?«
    »In den Süden! Es ist Sommer, gönn deiner Familie ein paar Wochen Ferien am Meer.«
    »An der Côte d’Azur?«
    »Na, dort nun nicht gerade, da wird in den nächsten Tagen ein bisschen was los sein. Ich würde dir eher die südliche Atlantikküste empfehlen, von dort haben die Deutschen sich schon zurückgezogen. Biarritz oder Cap Ferret oder Lacanau, das ist Geschmackssache.«
    »Und eine Frage des Geldes.«
    »Hier sind die vierhundert Franc, die du mir damals geliehen hast.« Martin reichte Léon ein Bündel Banknoten. »Und das hier …« – er griff in die Brusttasche und nahm ein zweites, wesentlich dickeres Bündel hervor – »… ist das restliche Geld aus der Schublade in deinem Büro.«
    »Wie habt Ihr …«
    »Ich habe es holen lassen, als du auf deinem Boot warst – ich hoffe, das ist dir recht. Es ist von Vorteil, wenn du nicht eigens dafür nochmal zurück ins Büro musst.«
    »Aber …«
    »Nimm schon. Hiermit überreicht dir offiziell die FFL das Geld, ab sofort ist es kein Nazigeld mehr. Den Schlüssel haben wir zurück in die Bakelitschale gelegt. Ein saublödes Versteck übrigens, wenn du mir die Bemerkung erlaubst.«
    »Immerhin ist niemand draufgekommen.«
    Martin lächelte. »Wir haben das Geld in den letzten zwei Jahren immer mal wieder nachgezählt. Es wird dir helfen, dass du nichts davon für dich genommen hast.«
    »Das Hausboot …«
    »Ich

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