Leonardo und der Fluch des schwarzen Todes (Da Vincis Fälle) (German Edition)
Zeichnungen hervor. Zeichnungen von den fan-tastischsten Fantasiemaschinen, von Flugapparaten oder ganzen Städten. All die Ideen, die er gehabt hatte, hatte er zumeist mit Bleistift in diese komplizierten Zeichnungen gebannt. Die meisten waren beschriftetet, wobei Leonardo mal ganz normal von rechts nach links, manchmal aber auch spiegelverkehrt und von links nach rechts schrieb, in der Hoffnung, dass dann Unbefugte ihm seine Ideen nicht so leicht stehlen konnten.
Er packte die Zeichnungen in ein Fass, in dem ursprünglich mal Bier gewesen war und das Leonardo jetzt als Behälter für alles Mögliche benutzte. Den Inhalt schüttete er auf den Boden und begann dann damit, seine Zeichnungen hineinzutun.
„Was machst du da?“, fragte Alberto.
„Ich will meine Ideen in Sicherheit bringen, falls mein Vater es doch nicht rechtzeitig schafft und die Brandreiter das Dorf doch anzünden.“
Großvater ließ Leonardo in dieser Nacht jedoch nicht mehr fort.
Ursprünglich hatte Leonardo das kleine Fass in den Wald bringen und gut verstecken wollen. Stattdessen packte Großvater das Wichtigste auf einen Wagen, vor den er Marcella spannen wollte, falls es keine Möglichkeit gab, das Dorf zu retten. „Du kannst dein Fass da-zutun“, meinte Großvater. „Und jetzt schlaf etwas.“
Leonardo gähnte.
„Mein Bett ist leider schon besetzt“, sagte er.
„Dann leg dich auf die Bank neben dem Kamin.“
Der Pfarrer tauchte im Mondlicht auf. Er wandte sich an Großvater.
„Wäre es nicht besser, wenn wir uns jetzt bereits in Sicherheit bringen?“, meinte er.
Aber Großvater war anderer Ansicht.
„Sich jetzt in die Wildnis zu flüchten, hätte keinen Sinn. Wir wären da nicht sicherer als hier. Schließlich wissen wir nicht, ob diese Reiter nicht eine Vorhut ausschicken und wir ihnen direkt in Arme laufen würden.“
Früh am Morgen wachte Leonardo auf.
„Reiter!“, rief jemand mit heiserer Stimme. „Es kommen Reiter auf das Dorf zu.“
Er hatte den Rest der Nacht auf der Kaminbank verbracht und wie ein Stein geschlafen. Jetzt war er hellwach. Er lief nach draußen und bemerkte, dass sein Großvater offenbar schon länger auf den Beinen war. Er hatte Marcella vor den Wagen gespannt, um jederzeit mit dem Gespann davonfahren zu können.
Hatte er überhaupt geschlafen?
Auf dem Wagen lagen noch einige Sachen, die nicht dort gewesen waren, als Leonardo den Wagen zum letzten Mal gesehen hatte.
Jemand rannte die Dorfstraße entlang. Es war Frederico, ein Bau-ernbursche aus der Umgebung.
„Wer ist es?“, rief Leonardo. „Nun sag schon!“
Frederico richtete den Blick auf Leonardo. „Dein Vater ist bei ihnen!“, erklärte er.
Leonardo atmete auf. „Zum Glück!“ stieß er hervor.
Wenig später erreichte eine Schar bewaffneter Reiter das Dorf. Sie trugen Schwerter, Armbrüste und teilweise auch Arkebusen. Allerdings war es in der Früh noch so feucht und dunstig, dass diese „Ha-kenbüchsen“, wohl kaum funktionieren würden. Die brennende Lun-te, die mit einem Haken an das Pulver gebracht wurde, damit der Schuss los ging, brannte bei zu feuchter Witterung nicht.
Leonardo erkannte die Abzeichen der Stadtwache.
Er lief seinem Vater entgegen, der vom Pferd stieg und es an einer Querstange vor Großvaters Haus festmachte. „Ich konnte Cosimo überzeugen“, sagte er. „Und das, obwohl ich ihn wegen dieser Sache eigens aus dem Bett holen musste.“
„Dann ist Vinci ja wohl gerettet“, hoffte Großvater.
Aber Ser Piero war skeptisch. „Wir werden abwarten müssen, ob die Männer, die die Familie Bandini angeheuert hat, es nicht auf einen Kampf ankommen lassen.“
„Die lassen nicht lange auf sich warten!“, stellte Leonardo fest und deutete mit dem ausgestreckten Arm zur anderen Seite des Dorfes, wo eine zweite Reitergruppe eintraf, zu der auch der Wagen von Doktor Petronius gehörte.
Etwa die Hälfte dieser Reiter trug Fackeln und sie schienen offenbar fest entschlossen zu sein, auch dieses Dorf niederzubrennen.
Inzwischen war auch Alberto aus dem Haus gekommen. Niemanden in Vinci hielt es jetzt – trotz der Gefahr – in den eigenen vier Wänden. Das ganze Dorf war auf den Beinen.
Der Anführer der Gruppe ließ sein Pferd ein paar Schritte nach vorn machen.
Er fiel durch einen blonden Spitzbart auf.
„Das ist Bernardo Capelli“, sagte Ser Piero an Leonardo gerichtet.
„Du kennst ihn?“, fragte Leonardo.
„Ja. Er gilt als ein Gefolgsmann der Bandini-Familie und erledigt für sie
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