Leonardo und der Fluch des schwarzen Todes (Da Vincis Fälle) (German Edition)
habe, benutzen immer die Vögel lange Schnäbel, die damit im Wasser Fische fangen und ich frage mich, ob der Vogelmensch auf dem Papyrus wohl auch Fische gefangen hat.“
„Leonardo, ich rede über deine Zukunft und du siehst Vögeln nach!“
„Vater, ich weiß nicht, weshalb du dir da jetzt so viele Gedanken machst, aber Andrea del Verrocchio hat doch schon gesagt, dass er mich gerne nehmen will. Nur eben jetzt noch nicht. Dass wir ihn nicht angetroffen haben, ist Pech, aber wenn er mich nicht nimmt, wird mich schon eine andere Werkstatt aufnehmen. Und wenn das noch ein paar Jahre dauert, ist das auch nicht so schlimm. Dann kann ich bis dahin vielleicht ein paar meiner Erfindungen so vollenden, dass man sie wirklich einsetzen kann und habe vielleicht das Geheimnis des Fliegens endlich gelüftet.“ Er berührte mit der Hand die Tasche an seiner Seite. „Und natürlich die Hieroglyphenschrift!
Das wäre ja schließlich gelacht! Griechisch und Hebräisch kann man ja auch heute noch lesen und viel komplizierter als die Geheimschrift, die ich mir selbst ausgedacht habe, können die Zeichen auf dem Papyrus ja wohl auch nicht sein!“
„Leonardo, ich habe dir ja schon mal gesagt, dass ich darüber nachdenke, ob wir in den nächsten Jahren nach Florenz ziehen.
Vielleicht etwas früher, vielleicht etwas später. Aber ich arbeite jetzt so viel für Cosimo de’ Medici, da wäre das schon recht praktisch.“
„Hast du gesagt ‚wir’?“, fragte Leonardo.
Er wohnte nämlich bei seinem Großvater in Vinci. Seine Eltern waren nicht verheiratet gewesen. Seine Mutter hatte einen Bauern und Töpfer aus der Umgebung geheiratet und mit ihm eine eigene Familie. Dort hatte er nicht bleiben können. Und auch bei Ser Piero hätte er nicht aufwachsen können.
So hatte er die letzten fünf Jahre bei seinem Großvater gelebt -
was ihm nicht schlecht bekommen war, denn kaum jemand anderes hätte ihm so viele Freiheiten erlaubt.
„Und was wird dann aus Großvater?“, fragte Leonardo.
„Er ist schon alt und niemand weiß, wie lange er noch lebt. Wer weiß, vielleicht käme er ja auch mit nach Florenz. Jedenfalls wäre mir wohler, wenn du schon bald etwas lernen würdest.“
Leonardo überlegte einige Augenblicke.
Dann sagte er schließlich: „Ich glaube nicht, dass das klappt, Vater. Niemand nimmt jemanden, der so jung ist wie ich. Man traut uns einfach nichts zu, das ist das Problem!“
Als sie weiter ritten, trafen sie ein paar Meilen vor Vinci einen Jungen. Er lief in Lumpen daher. Sein Gewand wirkte wie ein vielfach geflickter Sack und seine Hose schien fast nur noch aus Flicken zu bestehen. Er trug ein Bündel bei sich, in dem sich wohl sein ganzer Besitz befand. Dieses Bündel hatte er an einen Stock geknotet, den er über die Schulter gelegt hatte.
Leonardo zügelte die Stute Marcella, als sich sein Vater und er dem Jungen näherten. Dieser pfiff ein Lied vor sich hin, drehte sich zu ihnen um und wich zur Seite, um den beiden Reitern den Weg frei zu machen.
Leonardo schätzte den Jungen auf vielleicht elf oder zwölf Jahre.
Das gelockte Haar fiel ihm bis in die Augen, sodass man gar nicht sehen konnte, ob er einen ansah oder nicht.
„Eine milde Gabe für ein armes Waisenkind!“, sagte der Junge und hielt seine Hand auf, als Leonardo und Ser Piero ihren Pferden nicht sofort die Hacken in die Weichen drückten, um sie davon galoppieren zu lassen. „Ihr habt doch ein gutes Herz, seit Christen und glaubt an den Herrn Jesus und die barmherzige Jungfrau Maria.
So helft einem armen Waisenkind den nächsten Tag zu überleben.
Mir knurrt der Magen und wahrscheinlich muss ich bald Hungers sterben, wenn ich mir nichts kaufen kann...“
Irgendwie erschien Leonardo die Art und Weise, in der der Junge seine Bettelei vor trug etwas übertrieben, denn auch wenn er ärmlich gekleidet war, so waren seine Wangen doch voll und rund.
Ser Piero warf ihm eine Münze zu.
Der Junge fing sie auf.
„Und ist Euer Ziel zufällig der Ort Vinci?“, fragte er.
„Dahin sind wir unterwegs“, antwortete Leonardo.
„Dann könntet Ihr mich doch mitnehmen.“ Er wandte sich an Leonardo. „Du bist jünger als ich und zusammen wären wir nicht zu schwer für dein Pferd!“
„Du hast schon genug bekommen!“, sagte Ser Piero. „Jetzt werde nicht unverschämt!“
„Aber ich bin ein armes Waisenkind ohne Eltern, das sich allein durchschlagen muss!“, erwiderte der Junge. „Habt Ihr den gar kein Mitleid? Was für eine
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