Leonardo und der Fluch des schwarzen Todes (Da Vincis Fälle) (German Edition)
hartherzige Welt. Aber Jesus Christus sagt: Was ihr dem Geringsten unter euch tut, das habt ihr mir getan!“
„Wie heißt du?“, fragte Leonardo.
„Mein Name ist Alberto.“
Leonardo reichte ihm die Hand. „Komm, schwing dich hinter mich aufs Pferd. Marcella ist zwar schon müde, aber das wird sie wohl auch noch schaffen.“
„Tausend Dank!“, sagte der Junge. „Im Himmel wird man dich dafür belohnen!“
Während der letzten Meilen bis Vinci kam Leonardo mit einem Jungen ins Gespräch. Er gab an, von Ort zu Ort zu ziehen und sich mit Gelegenheitsarbeiten bei den Bauern über Wasser zu halten.
Seine Eltern seien selbst Bauern gewesen, hätten aber bei einem Brand ihr Leben verloren und da das Land nicht ihr eigenes gewesen wäre, hätte Alberto dort auch nicht bleiben können. „Seitdem ziehe ich umher und lebe von der Barmherzigkeit der Menschen und meiner Hände Arbeit. Wisst ihr nicht vielleicht einen Hof in der Nähe von Vinci, der gerade einen guten Knecht braucht? Denn das bin ich bestimmt! Ich weiß, wie man die Tiere gut behandelt, wie man melkt, wie man das Getreide aberntet, wie man eine Wiese mäht und wie man Käse zubereitet…“
„Ich könnte mal Großvater fragen“, meinte Leonardo. „Der ist doch mit allen Bauern in der Umgebung bestens bekannt und hat sicher gehört, wo jemand eine Hilfe braucht.“
Es dauere nicht mehr lange und sie erreichten das Dorf Vinci. Das Haus von Leonardos Großvater lag direkt am Dorfplatz.
Großvater wartete schon vor der Tür. Er saß dort auf der Bank und erhob sich, als er die Reiter kommen sah.
„Nanu, ihr wolltet doch einen Tag früher zurückkehren“, meinte er.
„Leonardo wollte unbedingt ein ägyptisches Papyrus abzeichnen“, sagte Ser Piero und lachte. „Nein im Ernst: Es hat an mir gelegen.
Cosimo de’ Medici hatte so viel für mich zu tun. Da waren die ganzen Grundverträge und…“
„Ja, ja, die Einzelheiten spare dir ruhig, mein Sohn. Oder erzähl sie mir beim Essen.“
„Und Leonardo hatte die Ehre, vom großen Cosimo persönlich in dessen Bibliothek herumgeführt zu werden“, berichtete Ser Piero.
„Der Mann weiß so viel“, stieß Leonardo hervor. „Nicht nur, wie man Geschäfte macht, sondern auch alles über alte Schriften. Über die Griechen, die Römer… und sogar etwas über die Ägypter. Die ihre Toten auf eine Weise behandelten, dass sie nicht verwesen konnten…“
„Die Familie Medici hat schon viele Talente gefördert“, sagte Großvater. „Maler, Bildhauer, Wissenschaftler… Wer weiß, vielleicht wird dir dieser Kontakt noch nützlich sein, wenn du erstmal in der Werkstatt von Meister Andrea del Verrocchio ausgelernt hast, dann wird dir Cosimo sicher zu Aufträgen verhelfen können.“
„Was Meister Verrocchio angeht, waren wir leider nicht so erfolgreich, wie ich gehofft hatte“, bekannte Ser Piero.
Alberto hatte sich inzwischen von Marcellas Rücken herab gleiten lassen.
Großvater musterte ihn. „Und wer bist du?“
„Man war so freundlich, mich mitzunehmen“, sagte Alberto. „Ich bin ein wandernder Bauernknecht und helfe gerne jedem, der meine Hilfe braucht – wenn er umgekehrt dafür sorgt, dass ich keinen knurrenden Magen mehr habe.“
„Großvater, du redest doch viel mit den Bauern aus der Gegend.
Kann da nicht irgendeiner einen Knecht brauchen?“, fragte Leonardo.
„Da wüsste ich gleich mehrere“, bekannte Großvater. „Zumal die Ernte noch nicht eingebracht ist und auf den meisten Höfen wirklich jede Hand gebraucht wird!“
„Für einen einfachen Hinweis, an wen ich mich wenden könnte, wäre ich sehr dankbar.“
„Den sollst du bekommen“, erwiderte Großvater. „Und zwar, wenn du dich an meinen Tisch setzt und mit uns isst. Du bist herzlich eingeladen.“
„Oh, Ihr seid ein wahrer Christ!“, rief Alberto aus. „Jemand, der noch Mitleid mit den Mühseligen und Beladenen hat!“
2. Kapitel
Ein seltsamer Junge
Als Alberto zusammen mit Großvater, Ser Piero und Leonardo am Tisch saß, stocherte lustlos in einer Art Pfannkuchen, die Großvater nach seinem eigenen Rezept gekocht hatte.
Eine Spezialität, die sich auch unter Freunden und Nachbarn großer Beliebtheit erfreute. Selbst der Besitzer des örtlichen Dorfgasthofes hatte sich schon nach den Einzelheiten des Rezeptes erkundigt, aber Großvater hätte nicht im Traum daran gedacht, sie zu verraten.
Alberto hingegen schien dieses Rezept nicht besonders zu zusagen. Er verzog das Gesicht und würgte
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