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Leonardos Liebesbiss

Leonardos Liebesbiss

Titel: Leonardos Liebesbiss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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blieb auf dem Gehsteig stehen wie bestellt und nicht abgeholt. In meinen Augen befand sich kein Leben mehr. Ich hatte den Blick mehr nach innen gerichtet. Jeder, der mich jetzt gesehen hätte, der hätte mich für einen weltfremden Menschen halten können.
    Erst jetzt begriff ich richtig, wie knapp ich dem Tod entgangen war. Die Reaktion erfolgte. Mein Herz schlug schneller, und ich mußte einige Male tief durchatmen. Ich blickte über die Straße auf die Fassade der Bank. Ich war darin gewesen, um Geld abzuholen, ein völlig normaler Vorgang. Ich war auch nicht betrunken, stand nicht unter Drogen und war auch nicht zu stark in Gedanken versunken gewesen. Trotzdem hätte mich das Wohnmobil fast erwischt.
    Klar, ich hätte es sehen müssen, der andere allerdings hätte auch mich erkennen müssen.
    Ich schüttelte den Kopf und dachte daran, daß ich den Schock erst einmal verdauen mußte. Das würde bei einem Drink besser klappen. In der Nähe gab es ein kleines Lokal. Eine Mischung zwischen Café und Bistro mit einem gemütlichen, halbrunden Tresen. Es war ein guter Platz um nachzudenken.
    Um diese morgendliche Zeit hielten sich nur wenige Gäste dort auf. Ich setzte mich auf einen Hocker am Ende des Tresens und bestellte einen Cognac und einen Kaffee.
    Das Getränk aus Frankreich kam zuerst, und ich leerte das Glas in zwei Schlucken. Mir ging es wieder besser. Ich hatte mich beruhigt. Okay, ich war als Geisterjäger schlimmere Dinge gewohnt. Oft genug mußte ich mich mit Kreaturen herumschlagen, die in das normale Weltbild eines Menschen nicht hineinpaßten. Trotzdem war ich nicht gegen die Widrigkeiten des Alltags gefeit.
    War das eine Widrigkeit gewesen?
    Während ich langsam den Kaffee schlürfte, ließ ich mir die Erlebnisse noch einmal durch den Kopf gehen. Gut, es war hauchdünn gewesen, doch darüber dachte ich nicht so stark nach. Es gab noch etwas anderes, mit dem ich nicht zurechtkam.
    Dieser Fahrer – möglicherweise Leo – war plötzlich aggressiv geworden. Er hatte so gewirkt, als hätte er mich einfach töten wollen. Brutal zu Boden schlagen, danach noch treten, mich schwer verletzen, wie auch immer.
    Und das nur, weil ich ihm beinahe vor sein Wohnmobil gelaufen wäre?
    Eine Aufregung hätte ich verstanden, nicht aber dieses andere Verhalten. Das paßte einfach nicht zu einem normalen Menschen. Das war schon Nötigung gewesen. Der hatte kurz vor dem Durchdrehen gestanden – und hatte nicht zugeschlagen. Wie jemand, dem im letzten Moment einfiel, daß er im Begriff war, einen Fehler zu begehen.
    Aber war das wirklich der Fall?
    Darüber dachte ich nach. Nein, ich wollte es nicht akzeptieren. Dieser Typ hatte seine Hand nicht deshalb zurückgezogen. Es mußte einen anderen Grund gegeben haben.
    Aber welchen? Warum hatte er es getan? Wenn ich mich nicht sehr irrte, hatte ich für einen Moment Erschrecken in seinen Augen gesehen. Ja, er hatte eine regelrechten Schock bekommen. Wie jemand, der plötzlich etwas Fürchterliches sah.
    Was war an mir so schlimm? Was hatte sich möglicherweise verändert? Nichts, gar nichts. Ich war so geblieben. Ich hatte mich äußerlich nicht von dem Menschen abgehoben, der ich noch Sekunden zuvor gewesen war. Also mußte es da einen anderen Grund geben.
    Ich schloß für einen Moment die Augen, um mir die Szene noch einmal heranzuholen. Die Faust war auf dem Weg gewesen. Sie hätte mich an der Brust getroffen, aber das war nicht geschehen. Etwas hatte sie wie eine Mauer gestoppt.
    Was war es gewesen?
    Ich nicht. Nicht ich persönlich. Nicht meine Abwehr, nicht mein Blick, nicht mein Ganzes – sondern…
    Das Kreuz!
    Genau das war es. Für mich gab es keine andere Erklärung. Dieser Albino mußte mit seiner Faust in den Einflußbereich meines Kreuzes hineingelangt sein. Er hatte etwas von der Kraft gespürt und die Hand deshalb zurückgezogen.
    Ich lachte in mich hinein, als ich es mir wieder vorstellte. Welch normaler Mensch fürchtete sich vor meinem Kreuz? Es gab keinen oder nur wenige Personen, aber der Albino wollte nicht zu nahe an mich herankommen. Möglicherweise hatte er die Nähe meines Talismans beim ersten Kontakt nicht gespürt, und dann hatte er sich zum Rückzug entschlossen.
    Er hatte mich gewarnt, nie mehr in seine Nähe zu kommen. Auch das war nicht so dahergesagt gewesen. Ich glaubte jetzt daran, daß es zu seinem eigenen Schutz geschehen war. Der Einflußbereich des Kreuzes sollte ihn nicht mehr treffen. Wenn er sich davor fürchtete, war er kein

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