Leonardos Liebesbiss
nicht aus den Augen zu verlieren. Er wußte zwar, wo sie hinging, aber ob er dort auch auf Leo Frost traf, stand noch nicht fest.
Bevor sie den Mittelgang erreichte, blieb die Frau stehen und drehte sich noch einmal um.
Suko duckte sich schnell hinter zwei jungen Männern, die in deftig belegte Sandwiches bissen. Sekunden später ging sie weiter und jetzt direkt auf die Geisterbahn zu, vor der sich eine Menschenschlange gebildet hatte.
Suko sah den Albino zum erstenmal. Er stand auf dem Podest und war mit einem schwarzen Smoking bekleidet. Er hielt ein Mikro in der Hand, redete auf die zu ihm hochschauenden Leute ein und versprach ihnen einen Schrecken, den sie noch nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatten. Auf dem Rummel wurde immer übertrieben, hier fielen Frosts Worte auf fruchtbaren Boden, denn die Schlange an der Kasse wurde immer länger.
Suko hatte noch kein Wort mit diesem Menschen gewechselt und mochte ihn trotzdem nicht. Das bezog er nicht einmal so sehr auf sein Äußeres, nein, von Leo Frost strahlte etwas ab, das ihn störte. Er konnte es nicht erklären. Es war eine Aura, die er selbst auf eine so große Distanz hin fühlte.
Frost war böse.
Aber war er auch ein Dämon?
Es gab keinen Hinweis darauf. Er verhielt sich so wie jeder andere Anreißer auch, aber es konnte an seinen Augen liegen, die Suko jetzt besser sah, weil er näher an das Podest herangetreten war. Diese Augen hatten keine Pupillen, und wenn doch, dann waren sie so schwach ausgebildet, daß man sie nicht sah.
Das Haar war ebenfalls sehr hell. Nicht blond, nicht grau, die Farbe lag irgendwo dazwischen. Frost hatte die Strähnen nach hinten geschoben und sie dort zu einem Zopf zusammengebunden.
Während er sprach, bewegte er auch seinen Kopf und zwangsläufig die Augen. Jeder in der Nähe stehende Zuschauer konnte das Gefühl haben, daß gerade er es war, der von Frost angeschaut wurde, trotz des wäßrigen Blicks.
Leos Erscheinen hatte Suko abgelenkt. Er schaute wieder an der Reihe der Wartenden entlang, ohne allerdings die dunkelhaarige Frau zu sehen, die Frost angeblich besuchen wollte.
Dann sah er sie doch.
Wie sie auf das Podest gekommen war, wußte er nicht, aber sie stand dort und ging auf Frost zu, der sie noch nicht entdeckt hatte. Bei einer scharfen Wendung nahm er sie wahr, und für einen Moment erstarrten beide. Die Stimme war nicht mehr zu hören. Suko hatte den Eindruck, als würde etwas fehlen.
Frost legte sein Mikro zur Seite und ging auf die junge Frau zu. Er blieb dicht vor ihr stehen und schaute auf ihr Haar nieder, während sie sehr schnell sprach und einmal die Tasche anhob.
Frost nickte.
Sie sagte noch etwas, wurde an der Wange gestreichelt, dann drehte sie sich um und ging auf den Ausgang zu. Sie wollte hinter der Klappttir in der Geisterbahn verschwinden.
Darauf war Suko zwar vorbereitet gewesen, es überraschte ihn trotzdem. Okay, die Geisterbahn war groß. Möglicherweise gab es genügend Orte und Stellen, die sich auch für einen normalen Aufenthalt eigneten. Es konnte auch sein, daß sie nur die Tasche wegbrachte, weil der Inhalt für die Bahn wichtig war.
Im Moment fühlte sich Suko ein wenig überfordert. Er schwankte wie auf einem schmalen Grat stehend. Sollte er sich um Leo Frost kümmern oder um die Frau?
Leo griff wieder zum Mikro. Er lachte hinein. Dieses schallende kalte Lachen lenkte die Aufmerksamkeit einiger Besucher wieder auf ihn. Er riß seine Sprüche ab und begleitete sie mit weit ausholenden Gesten. Die Frau war inzwischen verschwunden. Die Tür der Ausfahrt war breit genug, um neben dem normalen Wagen eine Person durchzulassen.
Suko hatte sich für Leo entschieden. Er wollte gewissermaßen einen direkten Angriff starten und wunderte sich auch, daß er von seinem Freund John Sinclair nichts sah. Sie hatten sich hier treffen wollen. Normalerweise konnte man sich auf John hundertprozentig verlassen. Eine Fahrt durch den Bauch der Geisterbahn dauerte wirklich nicht zu lange.
Aber John war nicht da. Es mußte irgend etwas quergelaufen sein. Das bereitete Suko Sorge.
Leo Frost mußte warten.
Rechts von ihm sah er die drei jungen Mädchen. Sie verhielten sich anders als die normalen Besucher des Rummels. Zwei von ihnen hatten eine dritte Person untergehakt, die sich kaum allein auf den Beinen halten konnte. Sie sprach und weinte, und die Füße schleiften beim Gehen über den Boden hinweg.
Die Mädchen wirkten wie Drillinge, was an der gleichen Kleidung lag. Sie mußten
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