Leonardos Liebesbiss
und sie hörte die Geräusche überdeutlich. Sie schloß die Tür ab, ohne die Griffe der Segeltuchtasche loszulassen. Noch immer war sie allein, und sie blieb es auch auf dem weiteren Weg zum Rummel.
Aber sie ließ sich davon nicht täuschen. Irgendwie war sie überzeugt, daß dieser Asiat nicht völlig verschwunden war. Es gab genügend Deckung für ihn.
Sie hatte sich nicht geirrt.
So leicht ließ sich ein Mann wie Suko nicht auspokern. Er hatte sich zwar zurückgezogen, aber sein Mißtrauen war geblieben. Es hatte sich noch verstärkt. Diese unbekannte Person hatte sich wie jemand verhalten, der etwas verbergen wollte, und den Verdacht seines Freundes John teilte er mittlerweile auch…
***
Das Innere der Geisterbahn hatte mich geschnappt. Auf keinen Fall lehnte ich mich bequem zurück, sondern blieb gespannt und versuchte, die Umgebung so gut wie möglich zu durchdringen, wenn es auch schwer war. Direkt hinter dem Eingang war der Wagen in eine scharfe Kurve gerissen worden. Vor mir kreischten die Teenies, und wenig später sah ich den Grund. Zwei glühende Totenköpfe huschten auf mein Gesicht zu, stiegen aber dicht davor in die Höhe und verschwanden. Aus einer Nische erschien eine weiße Frau mit Totenschädel. Aus dem Mund sprühte mir kaltes Wasser entgegen, dann war auch dieser Spuk vorbei.
So und ähnlich ging es weiter. Überraschungen erlebte ich nicht. Einmal geriet der Wagen in einen Kreisverkehr. Dabei stieg roter Blutnebel aus dem Boden auf, und meine Ohren wurden durch schreckliche Schreie malträtiert.
Es wurde auch wieder ruhiger und ebenfalls überraschender, denn die Ausfahrt aus dem Kreis führte in die Höhe. Noch nicht in die erste Etage, aber die Schienen liefen jetzt auf Stelzen weiter, und das hatte seinen Grund.
Vor mir hatte sich die Geisterbahn geöffnet. Sie war zu einem sehr großen Gebiet geworden. Es wurde von einem künstlichen See eingenommen. Ich mußte Leo Frost zugestehen, daß er selbst mich damit überrascht hatte. Der Weg der Wagen führte über den See hinweg, aber nicht auf gerade Strecke, sondern gewunden wie eine Wendeltreppe oder eine stählerne Riesenschlange.
Die Sicht war gut und andererseits wieder schlecht. Normalerweise schwebte eine blasse und grüngraue Dunkelheit über dem Wasser, aber immer dort, wo die Wagen hinfuhren, verschwand sie und schuf einer Lichtinsel Platz, so daß die Fahrgäste erkennen konnten, was da aus dem Wasser stieg. Den erschreckten Schreien nach zu urteilen, mußten es schon schlimme Wesen sein.
Während sich mein Wagen unter einer Lichtkette herbewegte, hörte ich links und rechts neben mir das Rauschen des Wassers, das zu wahren Schaumwellen aufgewühlt wurde. Als ich über die Ränder hinwegschaute, sah ich die bleichen Knochen, die inmitten des Schaums trieben. Der Wagen bekam einen Ruck, fuhr schneller, jetzt geradeaus, und plötzlich erschien das erste Monster.
Jeder hatte sich darauf eingerichtet, daß es aus dem Wasser springen würde, das war ein Irrtum, denn es kam aus der Höhe, womit keiner gerechnet hatte, selbst ich nicht.
Die Riesenspinne flog mir von vorn entgegen. Sie hatte ihre Greifer ausgestreckt. Es sah aus, als wollte sie mich packen, doch im letzten Augenblick raste sie über meinen Kopf hinweg und verschwand wieder in ihren Gefilden.
Nicht schlecht gemacht. Da hatte sich der gute Leo Frost wirklich etwas einfallen lassen.
Aber auch das Wasser entließ seine Monster. Vor mir kreischten die Teenager wieder. Eine gewaltige Krake streckte ihnen von zwei Seiten seine Fangarme entgegen. Er tauchte sogar mit einem Teil des Oberkörpers auf, und ein gewaltiges Auge glühte wie die Öffnung zu einem Ofen.
Ich war als nächster an der Reihe. Einige Wassertropfen spritzten gegen meine Kleidung, das aber nahm ich hin. Dann raste plötzlich ein fliegender Schwertfisch an mir vorbei, und nach der nächsten Linkskurve, wo das Wasser ruhiger wurde, tauchten aus der Tiefe plötzlich Gestalten auf. Ertrunkene Menschen, die auf dem Bauch lagen, sich aber drehten, als sie nahe der Oberfläche waren, so daß ich in die bleichen, verwesten Gesichter schauen konnte.
Gut gemacht, das erkannte ich an. Außerdem hatte ich genug mit diesen echten Wesen zu tun gehabt.
Meiner Schätzung nach hatten wir die Hälfte der Strecke hinter uns gelassen, als die graue Nebelbank wie ein deformierter Kasten über dem Wasser schwebte.
Die beiden Wagen mit den Teenies waren schon darin verschwunden. Ihre Ruhe hörte sich seltsam dumpf
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