Leonardos Liebesbiss
meine Lippen. Melanie sah die Bewegung und schwieg. Es war relativ still in unserer näheren Umgebung, und ich glaubte, ein verdächtiges Geräusch gehört zu haben. Vor mir. Da, wo der Lichtstrahl noch nicht hindrang.
»Was hast du denn, John?«
»Es könnte sein, daß es noch einigen Ärger gibt«, sagte ich. »Am besten wird es sein, wenn du immer hinter mir bleibst.«
Sie fragte hastig: »Du glaubst also, daß es noch mehr von diesen Monstern gibt?«
»Ja, das kann sein.«
»O Gott, wo bin ich hier nur hineingeraten? Wären wir doch nicht gefahren.«
Da hatte sie recht. Ich konnte den gesamten Ablauf nicht so recht begreifen. Wenn Leo Frost tatsächlich derjenige war, der alle Fäden in den Händen hielt, dann hatte er meiner Ansicht nach verdammt unprofessionell reagiert. Er hatte seinen Geschöpfen freie Bahn gegeben, um sich das Blut der Menschen zu holen. Und das unter Zeugen. Normalerweise war das nicht die Art der Vampire. Sie nutzten die Finsternis aus und schlichen sich heran.
War hier vielleicht etwas aus dem Ruder gelaufen?
»Laß uns doch gehen!« Melanies Hand drückte gegen meinen Rücken. »Ich habe Angst.«
»Keine Sorge, wir packen es.«
Wir befanden uns weiterhin auf einem Steg. Er bestand aus Bohlen, die unter unserem Gewicht leicht nachgaben. Hier war nichts von dem Schrecken zu spüren und zu sehen. Es gab keine Monster, keine dämonischen Gestalten, die auf uns zuschnellten, es war einfach nur ruhig in dieser Umgebung. Trotzdem konnte sich niemand von uns wohl fühlen. Irgendwo war die Gefahr immer vorhanden. Und eine Tür, die nach draußen führte, sahen wir auch nicht.
Wieder mußten wir eine Treppe hochgehen. Der Blick nach rechts war frei. Wir standen auf einer kleinen Galerie, noch höher als die Wagen. Unter uns schäumte und wellte das Wasser. Immer wieder tauchten die Monstren auf. Gummigebilde, täuschend echt nachgemacht. Immer wieder schlugen sie mit ihren Pranken oder Tentakeln nach den Fahrgästen, die jedesmal schreiend zusammenzuckten und das Spritzwasser von allen Seiten mitbekamen.
Ich warf einen Blick nach oben. Dort verwehrte mir eine Holzdecke die Sicht. Darüber hörte ich das Rumpeln der Gondeln, wenn sie über die obere Ebene fuhren.
»Wo müssen wir denn jetzt hin, John?«
Ich drehte mich und ließ den Lichtstrahl nach links schweifen. Dort ging es weiter. Ein schmaler Steg mit einem Geländer, der später zu einer weiteren Treppe führte, über die wir nach unten steigen konnten.
Bei diesen Lichtverhältnissen war die Geisterbahn ein dunkles Labyrinth. Ich hätte es gern hell gehabt. Dann wäre der Schrecken schnell verschwunden. So aber liefen wir weiter und hofften, den Ausgang zu finden.
Ich dachte auch an Suko, der vor der Geisterbahn auf mich warten wollte. Er mußte längst mißtrauisch geworden sein. Es hätte mich nicht gewundert, ihm plötzlich gegenüberzustehen.
Wieder landeten wir auf dem Boden. Hier unten war es stickiger. Es roch nach Ol, nach Maschinen, und wir hörten auch ein dumpfes Rasseln. Es war eine Kette, die über mehrere Zahnräder führte und so die Gondeln antrieb. Die lief in der Mitte der Schiene weiter, aber sie war auch wie ein großer Kreislauf, denn sie kehrte letztendlich in diesen dumpfen Bereich zurück.
Ich empfand es hier unheimlicher als weiter oben.
Hier war es kalt und klamm. Die Luft roch nach Schmierfett, klebrigem Staub und Öl.
»Das ist wie ein Grab«, hauchte Melanie. »Ich fürchte mich.«
»Keine Sorge, das schaffen wir.«
Verdammt, wo befand sich der Ausgang? Ich drehte mich und leuchtete so gut wie möglich die Umgebung ab, aber es gab keine Tür, die nach draußen führte.
»Sollen wir nicht wieder zurück, John?«
Daran hatte ich ebenfalls gedacht. Es kam mir vor, als wären wir in einer Sackgasse gelandet. Möglicherweise waren wir schon an einem Ausgang vorbeigelaufen.
»Ich habe dich was gefragt!«
»Ja, ich denke schon.« Das Rasseln der Kette strapazierte meine Nerven. Die klackenden, harten und rasselnden Geräusche waren für mich zu einer schrillen und bösen Musik geworden. Versteckte Dämonen spielten Todeslieder auf ebenso schrecklichen Instrumenten, deren Laute mein Knochenmark zittern ließen.
Melanie sah aus wie ein Häufchen Elend. Sie hatte die Hände gefaltet und betete. Ich sah, daß sie ihre Lippen bewegte, aber ich hörte nicht, was sie sprach.
»Zurück, John?«
»Gleich.«
»Was ist denn noch?«
»Ich schaue mich nur hier um. Ich will wissen, was sich hinter den
Weitere Kostenlose Bücher