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Léonide (German Edition)

Léonide (German Edition)

Titel: Léonide (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Schaefer
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Bruder? Ich weiß nicht mehr, was ich gla u ben soll.
    Und so bricht alles aus mir heraus: Costantini an Frédérics statt in unserem Bett; das Erlebnis in Roussillon, als ich me i nem Bruder in den Schnee gefolgt bin, um dann festzustellen, dass ich Costantini direkt in die Arme gelaufen bin; die Visi o nen und Albträume, von denen ich nicht weiß, ob sie real sind oder nicht. Angst vor jedem weiteren Schritt, weil ich mich am Rand eines Abgrunds sehe, der mich verschlucken wird, s o bald ich nicht auf meine Füße achte. Die Vermutung, unter derselben Krankheit wie Willem zu leiden. Und Costantini, immer wieder Costantini.
    Eine Sackgasse. Der Mann in Beaucaire, der vor mir floh. Damals glaubte ich, er fürchtete meine Wut und wüsste um seine Schuld. Inzwischen aber habe ich begriffen, dass Costa n tini mich schon in Beaucaire an der Nase herumgeführt hat, um seinen Pakt mit mir schließen zu können. Die ›Überei n kunft‹. Costantinis Stimme, die Bilder malt wie früher Willem mit seinem Pinsel ; die mich durch die halbe Provence gelockt hat, rastlos auf der Suche nach Antworten. Ich weiß, ich werde keine Antworten finden; ich weiß ja nicht einmal mehr, welche Fragen ich stellen soll.
    »Schhhh, Léo. Es ist alles gut.« Frédéric nimmt mein Gesicht zwischen seine Hände. Erst jetzt fällt mir auf, dass alles um mich herum unwirklich ist: die Farben sind zu grell, der Wind zu scharfzahnig. Er flüstert mit rauer, papierner Stimme. Staub und Pergament, der Geruch von Büchern. Der Mond am Himmel ist blutrot.
    »Ich will nicht aufwachen … Wenn das hier ein Traum ist, will ich nicht aufwachen.«
    Frédérics Brustkorb bebt, als würde er lachen. »Das hier ist kein Traum, Léo.« Er zwingt mich, ihn anzusehen. »Das hoffe ich zumindest, denn ich möchte nicht zurück. Ich möchte nicht, dass alles wieder so ist wie früher.« Dann sagt er die drei Worte, die sich bereits so viele Liebende vor uns gesagt haben, Worte wie dunkle Sternennächte, wie das Wogen von Weize n feldern und flammenden Zypressen.
    »Ich habe Angst«, sage ich.
    »Du wärst eine Närrin, wenn du keine hättest.«
    »Ich glaube … ich fürchte, ich verliere den Verstand. Was, wenn mit mir dasselbe passiert wie mit Willem?«
    Frédéric stützt das Kinn in die Hände, um mich ansehen zu können. »Das wird es nicht. Und weißt du auch, warum? Wi l lem hat mit niemandem über seine Ängste und die Halluzin a tionen gesprochen. Stattdessen hat er sich in die Einsamkeit in sich selbst zurückgezogen. Aber du – du hast dich mir anve r traut. Du hast die Kraft, zu kämpfen. Es ist unwichtig, welche Rolle Costantini in alldem spielt. Wichtig ist, dass du ihm kein Gehör mehr schenkst.«
    Das dürfte schwierig werden, mit mir in deinem Kopf.
    Ich sperre mich zähneknirschend gegen die Stimme. Schw ö re mir, dass es nun vorbei ist mit der Suche nach Antworten, mit der Jagd nach Costantini. Ich werde ihm nicht länger Platz in meinem Kopf einräumen. Er hat genug zerstört, diese G e nugtuung werde ich ihm nicht geben.
    Denkst du, du kannst dich selbst verleugnen? Mich ignorieren und d a rauf hoffen, dass ich eines Tages einfach verschwinde? So funktioniert das nicht, Léonide. Ich lasse mich nicht verscheuchen. Du weißt, ich entspringe nicht deiner Fantasie.
    »Doch, das tust du.«
    Frédéric hält mich fest, bis ich mich beruhigt habe und me i ne Panik lähmender Erschöpfung gewichen ist. Lange Zeit sagt keiner von uns beiden etwas. Der Wind peitscht um die Höhlenwände und das karge Gestrüpp.
    »Was ist passiert, nachdem ich nach Arles zurückgereist bin?«
    Ich erzähle ihm von meinem Fieber und dem Wahn, der damit einhergegangen ist, von den Stunden im Wald und dem Regen, von meiner Begegnung mit der Geistergestalt, die Wi l lems Gesicht und seine Stimme hatte und mich durch den dunklen Wald zurück ins Dorf geführt hat. Von Herbert Segal, der mich auf seiner Türschwelle fand. Von den Tagen, die ich i n seinem Haus verbracht e .
    »Und bei dir?«
    Frédéric fährt sich mit der Hand durchs Haar. Zögert. Dann, meinem Blick ausweichend: »Ich schäme mich dafür, dass ich dich allein gelassen habe. Ich hätte nicht ohne dich abreisen dürfen. Stattdessen habe ich dich ohne zu zögern deiner Krankheit überlassen. Während ich mich in Arles um meine Patienten gekümmert habe, warst du allein in diesem Wald, und … o h Gott … «
    »Du wusstest ja nicht, dass ich krank werden würde.« Ich verschweige ihm, dass das Gefühl der

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