Leopard
Polizist aus Ustaoset.« Harry drehte sich um und sah zu ihm hoch.
»Ich bin nur ein bisschen betrunken«, sagte Harry heiser und versuchte, gleichmäßig zu atmen, um die Stiche im Magen so weit zu beruhigen, dass er sich nicht noch einmal übergeben musste. »Keine Gefahr.«
»Ich auch.« Krongli grinste und legte sich Harrys Arm um die Schulter. »Und wenn ich ehrlich sein soll, hab ich keine Ahnung, wo man hier ein Taxi kriegt. Können Sie aufstehen?«
Harry zog erst das eine, dann das andere Bein an, blinzelte ein paarmal und stellte fest, dass er sich wieder in der Senkrechten befand, in den Armen eines Polizisten aus Ustaoset. »Wo schlafen Sie heute Nacht?«, fragte Krongli.
Harry sah den Polizisten schräg von der Seite an. »Zu Hause. Und am liebsten alleine, wenn das für dich okay ist.«
In diesem Augenblick hielt ein Polizeiwagen vor ihnen. Das Seitenfenster wurde heruntergelassen. Harry hörte den letzten Rest eines Lachens und dann eine ruhige Stimme.
»Harry Hole, Morddezernat?«
»Hier«, sagte Harry seufzend.
»Wir haben eben einen Anruf von einem Ermittler des Kriminalamtes bekommen. Man hat uns gebeten, hierherzukommen und dafür zu sorgen, dass Sie sicher nach Hause kommen.«
»Dann mach schon die Tür auf!«
Harry ließ sich auf den Rücksitz fallen, lehnte den Kopf gegen die Nackenstütze und schloss die Augen. Sofort begann sich alles zu drehen, aber das war ihm lieber, als mitzubekommen, wie die beiden auf den vorderen Sitzen ihn anstarrten. Krongli gab ihnen eine Nummer, unter der sie ihn kurz anrufen sollten, wenn »Harry« gut zu Hause gelandet war. Bildete der Kerl sich ein, sein Freund zu sein? Harry hörte den elektrischen Fensterheber, gefolgt von einer angenehmen Stimme. »Wo wohnen Sie, Hole?«
»Fahren Sie einfach los«, sagte Harry. »Wir wollen jemanden besuchen.« Als Harry merkte, dass der Wagen losrollte, schlug er die Augen auf, drehte sich um und sah Aslak Krongli auf dem Bürgersteig in der Mollergata stehen.
KAPITEL 43
Hausbesuch
K aja lag auf der Seite und starrte in die Dunkelheit ihres Schlafzimmers. Sie hatte das Gartentor gehört und Schritte auf dem Kies vor dem Haus. Sie hielt die Luft an und wartete. Da klingelte es. Sie glitt aus dem Bett, zog ihren Bademantel an und trat ans Fenster, als es erneut klingelte. Sie spähte durch den Gardinenspalt. Und seufzte. »Betrunkener Polizist«, sagte sie laut in den Raum.
Sie schob ihre Füße in die Pantoffeln, schlurfte in den Flur und zur Tür. Machte sie auf und baute sich mit verschränkten Armen auf der Schwelle auf.
»Hallo, Schnuppe«, lallte der Polizist. Kaja musste spontan an einen dummen Sketch denken, wusste aber, dass der Mann vor ihr das traurige Original war.
»Was verschlägt Sie denn so spät hierher?«, fragte Kaja.
»Darf ich reinkommen?«
»Nein.«
»Aber Sie haben doch gesagt, ich solle mich melden, wenn es mir zu einsam wird. Und jetzt ist es mir zu einsam.«
»Aslak Krongli«, sagte sie. »Ich hab schon geschlafen. Fahren Sie in Ihr Hotel. Wir können morgen Vormittag einen Kaffee zusammen trinken.«
»Ich glaube, ich könnte jetzt einen Kaffee gebrauchen. Zehn Minuten, dann rufen wir ein Taxi, okay? Wir können uns ja so lange über Morde und Serienmörder unterhalten. Was sagen Sie dazu?«
»Tut mir leid«, sagte sie. »Ich bin nicht allein.«
Krongli richtete sich so abrupt auf, dass Kaja vermutete, dass er gar nicht so betrunken war, wie er auf den ersten Blick wirkte. »Aha. Ist er hier, der Polizist, an den Sie Ihr Herz gehängt haben?«
»Vielleicht.«
»Sind das seine?«, fragte Krongli langsam und trat gegen die großen Schuhe, die neben der Fußmatte standen.
Kaja antwortete nicht, ihr war aber aufgefallen, dass in seiner Stimme ein Unterton war, den sie vorher noch nicht bemerkt hatte. Wie ein niederfrequentes, kaum hörbares Knurren.
»Oder haben Sie die Schuhe nur zur Abschreckung auf die Treppe gestellt?« Weinen und Lachen im Blick. »Hier ist doch niemand, stimmt's, Kaja?«
»Hören Sie, Aslak …«
»Der Polizist, von dem Sie erzählt haben, dieser Harry Hole, ist heute Abend nämlich aus dem Verkehr gezogen worden. Ist im Kriminalamt aufgekreuzt, voll wie tausend Russen, und hat um Prügel gebeten, die er dann auch gekriegt hat. Ein Streifenwagen hat ihn aufgelesen und nach Hause gebracht. Damit dürften Sie heute Abend ja wohl freihaben, oder?«
Ihr Herz schlug schneller, und sie fror plötzlich nicht mehr in ihrem dünnen Bademantel.
»Und wenn sie ihn
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