Leopard
wie der Beweis, dass er noch immer das Leittier war, das Alphamännchen. Das ranghöchste Männchen mit dem Vorrecht, sich mit den Weibchen zu paaren. Ja, es war wirklich so banal und vulgär. Die Position des Alphamännchens konnte man sich nicht erarbeiten, man war für sie geboren oder eben nicht. Es war nicht unbedingt das einfachste und bequemste Los für einen Mann, aber war man berufen, konnte man sich nicht dagegen auflehnen.
Die Tür öffnete sich.
Sie trug den weißen Rollkragenpullover und hatte die Haare hochgesteckt. Ihr Blick war müde, und ihre Augen wirkten kleiner als sonst. Trotzdem besaß sie eine Eleganz und Klasse, von der seine eigene Frau nur träumen konnte. Sie sagte hallo, dass sie auf der Veranda säße, drehte ihm den Rücken zu und ging ins Haus. Er folgte ihr, nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich zu ihr in einen der lächerlich großen, schweren Holzstühle.
»Warum sitzt du hier draußen?«, schniefte er. »Du holst dir noch eine Lungenentzündung.«
»Oder Lungenkrebs«, sagte sie, nahm die halb gerauchte Zigarette vom Rand des Aschenbechers und hob das Buch auf, in dem sie gerade las. Er warf einen Blick auf den Umschlag.
Harn on Rye.
Charles … Er kniff die Augen zusammen. Bukowski? Wie das Auktionshaus?
»Ich habe gute Nachrichten«, sagte er. »Wir haben es geschafft, nicht nur eine kleine Katastrophe zu verhindern, sondern den Leike-Zwischenfall auch noch zu unserem Vorteil zu wenden. Das Justizministerium hat heute angerufen.« Bellman legte die Füße auf den Tisch und musterte das Flaschenetikett. »Um sich für mein resolutes Eingreifen zu bedanken, dass ich Leike freigelassen habe. Sie waren schwer in Panik, was Galtung und seine Anwälte sich alles ausdenken könnten, hätte das Kriminalamt nicht so schnell gehandelt. Und sie wollten eine persönliche Versicherung von mir, dass ich die Hände am Steuer habe und dass außerhalb des Kriminalamtes niemand querschlägt.«
Er setzte die Bierflasche an den Mund und trank, bevor er sie mit einem Knall zurück auf den Tisch stellte. »Was meinst du dazu, Bukowski?«
Sie nahm das Buch herunter und sah ihn an.
»Du könntest ruhig etwas mehr Interesse zeigen«, sagte er. »Was hältst du von der Sache, Liebes? Du bist Mordermittlerin.«
»Mikael …«
»Tony Leike ist gewalttätig, davon haben wir uns in die Irre leiten lassen. Schließlich wissen wir, dass Gewalttäter unverbesserlich sind. Die Fähigkeit und der Wille zum Töten sind nicht jedem vergönnt, das ist entweder angeboren oder angelernt. Aber wenn du erst einmal den Mörder in dir wachgerufen hast, ist es verdammt schwer, ihn wieder loszuwerden. Vielleicht weiß unser Mörder ja, dass wir das wissen, und hat uns Tony Leike serviert, damit wir alle im Chor aufjaulen: ›Hey, der Fall ist gelöst, es war der gewalttätige Typ!‹ Er musste nur in Leikes Wohnung einbrechen und von dort aus Elias Skog anrufen, um zu vermeiden, dass wir nach den anderen Übernachtungsgästen in der Hävasshütte suchen.«
»Das Telefonat aus Leikes Wohnung hat aber stattgefunden, bevor irgendjemand aus den Reihen der Polizei wusste, dass wir den Zusammenhang mit der Hävasshütte aufgedeckt hatten.«
»Ja, und? Vermutlich hat er sich ausgerechnet, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis wir das herausfinden. Verdammt, wir hätten viel früher darauf kommen müssen!« Bellman griff nach der Bierflasche.
»Also, wer ist der Mörder?«
»Der siebte Mann in der Hävasshütte«, sagte Mikael Bellman. »Der Kavalier, den Adele Vetlesen mitgebracht hat, den aber niemand kennt.«
»Niemand?«
»Ich hatte über dreißig Leute an dem Fall. Wir haben Adeles Wohnung durchkämmt und nichts gefunden. Keine schriftlichen Quellen. Keine Tagebücher, Karten oder Briefe, so gut wie keine SMS oder Mails. Diejenigen von Adeles männlichen Bekanntschaften, die wir identifizieren konnten, wurden verhört und konnten ausgeschlossen werden. Auch die weiblichen. Keiner von ihnen hatte den Betreffenden, der mit ihr auf die Hävasshütte gefahren ist, jemals gesehen oder gesprochen. Wobei das niemandem ungewöhnlich vorkam, da sie ihre Partner offenbar so häufig wechselte wie ihre Unterhosen, ohne das an die große Glocke zu hängen. Wir haben lediglich herausbekommen, dass Adele einer Freundin gegenüber erwähnt hat, ein paar Turn-ons und Turn-offs mit ihrem Kavalier aus der Hävasshütte gehabt zu haben. Ein Turn-on war zum Beispiel, dass er sie zu einem nächtlichen Stelldichein
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