Leopard
linken Hand aufschloss und die Tür in einem Schwung weit aufriss.
Im Licht des Mondes sah er die Skispur, die über den Platz vor dem Haus führte. Die stammte nicht von ihm. Aber Gespenster hinterließen keine Skispuren, oder? Sie führte um das Haus herum zur Rückseite.
Ihm fiel ein, dass das Fenster vom Schlafzimmer offen stand, er sollte … Abrupt hielt er den Atem an und hatte das Gefühl, dass im selben Moment auch jemand anders zu atmen aufhörte. Nicht jemand. Ein Tier.
Er drehte sich um. Öffnete den Mund. Sein Herz hörte zu schlagen auf. Wie hatte er sich so schnell und lautlos bewegen können, wie so schnell so nah … kommen?
Kaja starrte ihn mit großen Augen an. »Darf ich reinkommen?«, fragte sie.
Sie trug einen viel zu großen Regenmantel, ihre Haare standen in alle Richtungen ab, und sie sah blass und müde aus. Er hatte ein paarmal fest die Augen zugekniffen, um sicherzustellen, dass er nicht mehr träumte. So schön hatte er sie noch nie gesehen.
Harry versuchte, so leise zu kotzen, wie es ging. Er hatte seit über einem Tag keinen Alkohol mehr getrunken, und sein Magen war ein empfindliches Tier, das sich ebenso gegen plötzliches Trinken wie gegen plötzliche Abstinenz wehrte. Er bediente die Klospülung, trank vorsichtig ein Glas Wasser und ging zurück in die Küche. Der Wasserkessel rauschte auf dem Herd, und Kaja saß auf einem der Küchenstühle und sah ihn an.
»Tony Leike ist also verschwunden«, sagte er.
Sie nickte. »Mikael hat die Order ausgegeben, ihn zu holen, aber keiner konnte ihn finden. Er war weder zu Hause noch im Büro, und er hat keine Nachrichten hinterlassen. Es taucht aber auch kein Leike auf den Passagierlisten der Flug- oder Fährgesellschaften auf. Schließlich hat einer der Ermittler Lene Galtung erreicht. Sie meinte, er könnte in die Berge gefahren sein. Um nachzudenken, das käme öfter mal vor. Wenn dem so ist, hat er den Zug genommen, denn sein Auto steht zu Hause in der Garage.«
»Ustaoset«, sagte Harry. »Er hat gesagt, das sei seine Landschaft da oben.«
»Er ist jedenfalls nicht in einem Hotel abgestiegen.«
»Hm.«
»Sie meinen, er könnte in Gefahr sein.«
»Sie?«
»Bellman, das Kriminalamt.«
»Ich dachte, das wäre für dich eher ein Wir. Was wollte Bellman denn von Tony Leike?« Sie schloss die Augen. »Mikael hat einen Plan ausgeheckt. Um den Mörder aus der Reserve zu locken.«
»Und der wäre?«
»Der Mörder scheint alle umbringen zu wollen, die in jener Nacht in der Hävasshütte waren. Bellman wollte deshalb Tony Leike überreden, als Lockvogel einer arrangierten Operation zu dienen. Leike sollte in einem Zeitungsinterview über die schwere Zeit berichten, die er gerade durchmacht, und dabei erwähnen, dass er jetzt erst einmal an einem ganz bestimmten, einsamen Ort für sich allein entspannen wollte.«
»Und da will das Kriminalamt dem Täter dann eine Falle stellen.«
»Ja.«
»Aber der Plan hat sich erledigt. Und deshalb bist du jetzt hier?« Sie sah ihn an, ohne zu blinzeln. »Es gibt noch eine Person, die als Lockvogel dienen könnte.«
»Iska Peller? Die ist in Australien.«
»Und Bellman weiß, dass sie unter Polizeischutz steht und du in Kontakt mit einem gewissen McCormack warst. Bellman will, dass du sie überredest, hierherzukommen und uns als Lockvogel zur Verfügung zu stehen.«
»Warum sollte ich das tun?«
Sie blickte auf ihre Hände. »Das weißt du. Dasselbe Druckmittel wie beim letzten Mal.«
»Hm. Wann hast du eigentlich entdeckt, dass Opium in der Stange Zigaretten war?«
»Als ich sie im Schlafzimmer auf die Hutablage gelegt habe. Du hast recht, das Zeug riecht kräftig. Außerdem hat mich dieser Geruch an die Pension erinnert, in der du gewohnt hast. Ich habe die Stange geöffnet und bemerkt, dass das Siegel des untersten Päckchens geöffnet war. Dann habe ich den Klumpen gefunden und Mikael informiert. Er meinte, ich solle dir die Stange ruhig geben, wenn du danach fragst.«
»Das hat es dir bestimmt leichter gemacht, mich zu verraten. Nachdem du wusstest, dass ich dich benutzt habe.«
Sie schüttelte langsam den Kopf. »Nein, Harry. Das hat es nicht leichter gemacht. Vielleicht hätte es das, aber …«
»Aber?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Diese Nachricht zu überbringen, das ist das Letzte, was ich für Mikael tue.«
»Oh?«
»Anschließend sage ich ihm, dass ich ihn nicht mehr wiedersehen will.« Das Rauschen des Wasserkessels verstummte.
»Ich hätte das schon längst tun
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