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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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rasselndem Atem.
    »Lass mich raten«, sagte Harry und steckte sich die Zigarette zwischen die Lippen.
    Die anderen sahen ihn an.
    »Tony Leike.«
    Kim Erik sah aufrichtig enttäuscht aus: »W… wie … ?«
    »Ich habe seine rechte Hand unter dem Scooter hervorragen sehen, und an der fehlte kein Finger. Also muss es die linke gewesen sein.« Harry nickte in Richtung Tüte. »Der Finger ist nicht gebrochen, der ist nur verkrümmt. Gute alte Gicht. Erblich, aber nicht ansteckend.«
KAPITEL 69
    Schreibschrift
    D ie Frau, die die Tür der Reihenhauswohnung in Hovseter öffnete, hatte breite Schultern wie ein Ringer und war genauso groß wie Harry. Sie sah ihn geduldig an, als wäre sie es gewohnt, den Menschen ein bisschen Zeit zu geben, um sich zu sammeln.
    »Ja?«
    Harry erkannte Frida Larsens Stimme vom Telefon wieder, zu der er sich eine zierliche, kleine Frau vorgestellt hatte.
    »Harry Hole«, sagte er. »Ich habe Ihre Adresse über Ihre Telefonnummer gefunden. Ist Felix da?«
    »Der ist unterwegs und spielt Schach«, sagte sie tonlos, als wäre das eine Standardfrage. »Schicken Sie eine Mail.«
    »Ich würde gern mit ihm reden.«
    »Worüber?« Sie füllte die Tür auf eine Weise aus, die ihm jeglichen Einblick ins Innere des Hauses verwehrte, was nicht nur an ihrer Größe lag.
    »Wir haben im Keller des Polizeipräsidiums Lava gefunden. Ich möchte wissen, ob die Steine aus demselben Vulkan stammen wie der letzte, den wir ihm geschickt haben.«
    Harry stand zwei Treppenstufen unter ihr und hielt den kleinen Stein hoch. Aber sie rührte sich nicht von der Türschwelle.
    »Unmöglich zu beurteilen«, sagte sie. »Schicken Sie eine Mail an Felix.« Sie machte Anstalten, die Tür zu schließen.
    »Lava ist doch wohl Lava«, sagte Harry.
    Sie zögerte. Harry wartete. Aus Erfahrung wusste er, dass kein Fachmann es unterlassen konnte, einen Laien zu korrigieren.
    »Jeder Vulkan hat Lava einer ganz bestimmten Zusammensetzung«, sagte sie. »Die von Ausbruch zu Ausbruch variiert. Sie müssen den Stein analysieren. Der Eisengehalt sagt viel aus.« Ihr Gesicht war ausdruckslos, ihr Blick desinteressiert.
    »Eigentlich wollte ich auch noch nach diesen Leuten fragen, die um die Welt reisen, um sich Vulkane anzusehen«, sagte Harry. »Das können doch nicht so viele sein, vielleicht hat Felix einen Überblick über die Leute hier aus Norwegen.«
    »Wir sind mehr, als Sie glauben«, sagte sie.
    »Dann gehören Sie auch dazu?«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Auf welchem Vulkan waren Sie zuletzt?«
    »Am Ol Doinyo Lengai in Tansania. Und wir waren nicht auf, sondern am Vulkan. Es gab einen Ausbruch. Magmatisches Natriumkarbonatit. Die Lava, die austritt, ist schwarz, reagiert aber an der Luft und wird nach ein paar Stunden vollkommen weiß, weiß wie Schnee.«
    In ihre Stimme war Leben gekommen, und auch ihr Gesicht begann zu leuchten.
    »Warum will er nicht reden?«, fragte Harry. »Ist Ihr Bruder stumm?« Ihr Gesicht erstarrte wieder, und ihre Stimme klang erneut flach und tot: »Schicken Sie eine Mail.«
    Sie knallte die Tür so fest zu, dass er Staub in ein Auge bekam.
    Kaja parkte im Maridalsveien, sprang über die Leitplanke und kletterte vorsichtig die steile Böschung in das Wäldchen hinunter, in der die Kadokfabrik lag. Sie schaltete die Lampe ein, schob sich durchs Gestrüpp und drückte kahle Äste weg, die ihr ins Gesicht schlagen wollten. Es war das reinste Dickicht, Schatten huschten wie lautlose Wölfe um sie herum, und wenn sie stehenblieb, lauschte und sich umsah, fielen die Schatten der Bäume auf Bäume und Bäume, so dass man weder vor noch zurück wusste, wie in einem Spiegellabyrinth. Aber sie hatte keine Angst. Eigentlich komisch, dass sie, die sie sich so vor verschlossenen Türen fürchtete, keine Angst im Dunkeln hatte. Sie horchte auf das Rauschen des Flusses. Hatte sie noch andere Geräusche gehört? Einen Laut, der nicht hierher passte? Sie ging weiter. Duckte sich unter einem vom Wind gestürzten Stamm hindurch und blieb wieder stehen. Genau wie beim letzten Mal verstummten die anderen Geräusche sofort. Kaja atmete tief durch und dachte den Gedanken zu Ende: als wenn ihr jemand folgte, der nicht entdeckt werden wollte.
    Sie drehte sich um und leuchtete hinter sich. War sich mit einem Mal nicht mehr sicher, ob sie nicht doch Angst im Dunkeln hatte. Ein paar Zweige schwangen im Lichtkegel hin und her, aber die hatte sie wohl selbst in Bewegung versetzt.
    Dann wandte sie sich wieder nach

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