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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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im logopädischen Verständnis, sondern bloß eine andere Art, das ›S‹ auszusprechen. Schwule können es nach Bedarf ein- und ausschalten, die verwenden das wie einen Code. Und dieser Code funktioniert. Der Logopäde hat mir von einer linguistischen Studie an einer amerikanischen Universität erzählt, bei der untersucht wurde, ob man die sexuellen Neigungen einer Person allein vom Klang ihrer Stimme ableiten kann. Es gab eine erstaunlich hohe Trefferquote. Es zeigte sich aber auch, dass man, wenn man dieses
gay lisp
zu hören glaubt, alle anderen Hinweise auf Heterosexualität überhört. Als mir der Portier des Bristol-Hotels erzählte, ein Mann mit femininer Stimme habe sich nach Iska Peller erkundigt, war auch er ein Opfer dieser stereotypen Denkweise. Erst als er mir vormachte, wie der Betreffende gesprochen hatte, wurde mir bewusst, dass ihm eigentlich nur dieses Lispeln aufgefallen war.«
    »Es muss doch noch mehr gegeben haben?«
    »Ja schon. Bristol. Das ist ein Stadtteil in Sydney, in Australien. Ich sehe Ihnen an, dass Sie den Zusammenhang wittern?«
    »Warte«, sagte Björn.
»Ich
kapiere nichts mehr.«
    Harry blies den Rauch aus dem Fenster. »Der Schneemann hat mir Folgendes gesagt. Er hat behauptet, der Mörder suche Nähe und wäre sicher schon in meinem Blickfeld aufgetaucht. Wenn er mich nicht sogar berührt hätte. Und als eine Flasche Bristol Cream durch mein Blickfeld glitt, habe ich es endlich kapiert. Ich hatte schon einmal ein Etikett mit diesem Namen gesehen. Und jemandem etwas erzählt. Jemandem, der mich angefasst hatte. Und plötzlich kapierte ich, dass das, was ich gesagt hatte, missverstanden worden war. Ich hatte gesagt, Iska Peller befände sich in Bristol, doch der Betreffende muss verstanden haben:
im
Bristol, also im Hotel Bristol in Oslo. Und diese Information habe ich Ihnen gegeben, Sigurd. Im Krankenhaus, nach dem Lawinenabgang.«
    »Sie haben ein gutes Gedächtnis.«
    »Was bestimmte Dinge angeht. Als ich Sie erst in Verdacht hatte, fielen mir gleich noch ein paar andere Dinge ein. So haben Sie zum Beispiel gesagt, dass man schon in der Anästhesie arbeiten müsse, um hier in Norwegen an Ketanomin heranzukommen. Ein Freund hat mir mal gesagt: Man begehrt das, was man jeden Tag sieht, was in Ihrem Fall dann wohl bedeutet, dass derjenige, der in seiner sexuellen Phantasie eine Frau in Schwesternkleidern sieht, vermutlich in einem Krankenhaus arbeitet. Dann der Benutzername des PCs in der Kadokfabrik: Nashville. Das ist der Name eines Films unter Regie von …«
    »Robert Altman, 1975«, sagte Sigurd. »Ein verkanntes Meisterwerk.«
    »Und der Klappstuhl im Hauptquartier war natürlich ein Regiestuhl. Für den Meisterregisseur Sigurd Altman.« Sigurd antwortete nicht.
    »Aber mir war immer noch nicht klar, was für ein Motiv Sie hatten«, fuhr Harry fort. »Der Schneemann hat mir gesagt, ein Mörder würde vom Hass angetrieben. Und dass dieser Hass auf einem einzigen Vorfall begründet sein kann, der weit in der Vergangenheit liegt. Vielleicht hatte ich da bereits eine Ahnung. Die Zunge. Das Lispeln. Ich habe eine geisteskranke Frau in Bergen dazu gebracht, alles über Sigurd Altman in Erfahrung zu bringen. Sie brauchte etwa dreißig Sekunden, um Ihre Namensänderung im Einwohnerverzeichnis zu finden und Ihren alten Namen mit dem Urteil gegen Tony Leike zu verknüpfen.«
    Eine Zigarette wurde aus dem Fenster des Cherokee geschnippt und zog einen Funkenschweif hinter sich her.
    »Blieb also nur die Zeitfrage«, sagte Harry. »Wir haben Ihren Dienstplan im Krankenhaus überprüft. Er gibt Ihnen ein vordergründiges Alibi für zwei der Morde. Sie hatten Dienst, als Marit Olsen und Borgny Stem-Myhre ermordet wurden. Aber beide Morde geschahen in Oslo, und es gibt niemanden im Reichshospital, der sich ganz konkret daran erinnern kann, Sie zu der betreffenden Zeit wirklich gesehen zu haben. Und da Sie zwischen den Abteilungen springen, hätte Sie wohl auch niemand vermisst, wären Sie mal für ein paar Stunden nicht zu sehen gewesen. Wenn ich mich nicht irre, werden Sie mir sagen, dass Sie in Ihrer Freizeit meistens allein sind. Und drinnen sitzen.«
    Sigurd Altman antwortete mit einem Achselzucken. »Vermutlich.«
    »So, das war's also«, sagte Harry und klatschte in die Hände.
    »Einen Moment noch«, sagte Altman. »Was Sie da erzählt haben, ist bloß eine Geschichte. Sie haben keinen einzigen handfesten Beweis.«
    »Oh, das habe ich ganz vergessen«, sagte Harry. »Erinnern Sie

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