Leopard
bereit, die Waffen niederzulegen, wenn ihnen im Gegenzug Amnestie gewährt wurde und alle Kämpfer in die staatliche Armee aufgenommen wurden. Die Verhandlungen waren schließlich am Geld gescheitert.
Aus Hunger und Verzweiflung hatte die CFF daraufhin eine der Grubengesellschaften angegriffen, die Koltan abbauten. Ein Himmelfahrtskommando, denn sie wussten, dass die Wachsoldaten dieser Gesellschaften besser ausgerüstet waren als sie selbst. Da Kinzonzi nie geglaubt hatte, lange zu leben oder anders als im Kampf zu sterben, hatte er nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als er plötzlich in die Gewehrmündung eines Weißen starrte, der ihn in einer fremden Sprache ansprach. Kinzonzi hatte nur genickt, um seinem Gegenüber zu signalisieren, dass er es hinter sich bringen wollte. Zwei Monate später waren die Verletzungen verheilt. Jetzt war die Grubengesellschaft sein neuer Arbeitgeber.
Der weiße Mann hieß Mister Tony. Er zahlte gut, war aber gnadenlos, wenn er das geringste Anzeichen von Illoyalität entdeckte. Er redete mit ihnen und war der beste Chef, den Kinzonzi jemals gehabt hatte. Trotzdem hätte er keine Sekunde gezögert, ihn zu erschießen, wenn es sich gelohnt hätte. Aber es lohnte sich nicht.
»Beeil dich«, forderte Kinzonzi Oudry auf und lud seine Pistole. Er wusste, dass der Tod durch den Metallapfel im Mund des weißen Polizisten, dessen Nadeln ausgelöst wurden, wenn er die Tür öffnete, auf sich warten lassen konnte. Deshalb wollte er ihm eine Kugel verpassen, um schnell zum Nyiragongo hochfahren zu können, wo Mister Tony mit den Frauen wartete.
Ein Mann, der rauchend vor dem Laden nebenan gesessen hatte, stand auf, murmelte wütend etwas und verschwand im Dunkeln.
Kinzonzi blickte auf die Türklinke. Bei ihrem letzten Besuch hatten sie van Boorst geholt, und bei der Gelegenheit war er zum ersten Mal der sagenumwobenen Alma begegnet. Van Boorst hatte sein ganzes Vermögen für Singapore Sling, Bodyguards und Alma ausgegeben, die rund um die Uhr sicher einiges kostete. Van Boorst hatte aus Verzweiflung den Fehler seines Lebens begangen, Mister Tony zu erpressen und ihm zu drohen, mit seinem Wissen zur Polizei zu gehen. Der Belgier hatte eher resigniert als überrascht ausgesehen, als sie kamen, und nur noch rasch sein Glas ausgetrunken. Sie hatten ihn in passend große Stücke zerlegt und damit die abartig fetten Schweine vorm Flüchtlingslager gefüttert, und Mister Tony hatte Alma übernommen. Alma mit ihren weichen Hüften, dem Goldzahn und dem geilen Schlafzimmerblick, der Kinzonzi einen weiteren Grund lieferte, Mister Tony eine Kugel in den Kopf zu jagen. Wenn es sich denn lohnen würde.
Kinzonzi drückte die Klinke nach unten und zog mit einem Ruck an der Tür. Sie glitt auf, wurde aber von der dünnen Stahlschnur gestoppt, die an der Innenseite der Tür befestigt war. Als sie sich straffte, war deutlich ein lautes Klicken zu hören. Ein metallenes Geräusch, wie wenn man ein Bajonett in eine stählerne Scheide steckte. Die Tür schloss sich langsam wieder. Kinzonzi ging hinein, zog Oudry hinter sich her und warf sie zu. Der bittere Geruch von Erbrochenem stach ihm in die Nase.
»Mach die Taschenlampe an.«
Oudry tat, was ihm befohlen worden war.
Kinzonzi starrte zum anderen Ende des Raumes. Die Wand über dem Bett war blutverschmiert, und an einem Nagel hing ein ebenfalls blutiger Geldschein. Auf dem Bett in einer Pfütze von Erbrochenem lag die blutige Metallkugel, aus der die Nadeln herausragten wie Sonnenstrahlen. Aber kein weißer Polizist.
Die Tür. Kinzonzi wirbelte mit gezückter Waffe herum.
Niemand da.
Er kniete sich hin und warf einen Blick unter das Bett. Auch dort war niemand. Oudry öffnete die Tür des einzigen Schranks im Raum. Leer.
»Er ist geflohen«, sagte Oudry zu Kinzonzi, der am Bett stand und mit einem Finger auf die Matratze drückte. »Was ist das?«, fragte Oudry, der näher gekommen war.
»Blut.« Er nahm Oudry die Lampe aus der Hand. Leuchtete auf den Boden und folgte der blutigen Spur, die in der Mitte des Raumes endete. An einer Bodenluke mit Eisenring. Er ging näher, zog sie hoch und leuchtete ins Dunkel. »Hol dein Gewehr, Oudry.«
Der Kamerad verschwand und kam kurz darauf mit einem AK-47 wieder.
»Gib mir Feuerschutz«, sagte Kinzonzi und stieg die Leiter nach unten.
Er erreichte den Kellerboden und nahm die Pistole in die eine und die Lampe in die andere Hand, als er sich umdrehte. Der Lichtkegel huschte über Schränke und Wandregale
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