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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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und glitt dann über ein freistehendes Regal in der Mitte des Kellers, auf dem weiße, groteske Masken standen. Eine mit Nägeln in der Augenbraue, eine richtig lebensechte mit einem asymmetrischen Mund, der auf der einen Seite bis zum Ohr reichte, und eine mit leeren Augen und tätowierten Speeren auf beiden Wangen. Der Lichtkegel schwang über das Regal auf der anderen Seite und hielt abrupt inne. Kinzonzi erstarrte. Die Waffe. Das Gewehr. Die Munition. Das Hirn ist ein phantastischer Computer. Im Bruchteil einer Sekunde kann es Tonnen von Daten registrieren, kombinieren und zu dem richtigen Schluss kommen. Als Kinzonzi die Lampe erneut auf das Regal mit den Masken richtete, kannte er die Antwort deshalb bereits. Das Licht fiel auf die weiße Maske mit dem asymmetrischen Mund. Er sah die Backenzähne. Blutrotes Glitzern.
    Kinzonzi hatte nie daran geglaubt, lange zu leben oder auf eine andere Weise als im Kampf zu sterben.
    Das Hirn gab einen Befehl an seinen Finger, den Abzug der Pistole zu drücken. Das Hirn ist ein phantastischer Computer.
    Im Laufe einer Mikrosekunde bewegte sein Finger sich. Gleichzeitig hatte sein Hirn den Denkprozess abgeschlossen und war zu einer Antwort gekommen. Es wusste, wie es ausgehen würde.
    Harry hatte genau gewusst, dass es nur eine Lösung gab. Und dass er nicht länger warten durfte. Deshalb hatte er den Kopf noch einmal auf den Nagel geschlagen, das zweite Mal etwas höher, und es kaum mehr gespürt, als der Stahl seine Wange perforierte und die Metallkugel im Mund traf. Dann hatte er sich mit dem Kopf an die Wand gedrückt, auf das Bett nach unten sacken lassen und sich dann mit seinem vollen Gewicht nach hinten gelehnt und gleichzeitig die Wangenmuskulatur angespannt. Erst war nichts geschehen, doch dann war die Übelkeit gekommen. Und die Panik. Wenn er jetzt kotzen musste, mit dem Leopoldsapfel noch im Mund, würde er ertrinken. Aber es war nicht zu stoppen, er spürte bereits, wie sich sein Magen zusammenzog, um die erste Ladung durch die Speiseröhre nach oben zu schicken. Verzweifelt hob Harry den Kopf und die Hüften, ließ sich nach hinten fallen und spürte, wie das Fleisch nachgab, es riss, zerteilt vom Nagel. Blut strömte in seinen Mund und in die Luftröhre und zwang ihn zu husten. Dann kratzte der Nagel an seinen Schneidezähnen. Harry griff in seinen Mund, aber die Kugel war glitschig vom Blut, so dass seine Finger abrutschten. Er schob die Finger hinter das Metall und drückte sie nach vorn, während er mit der anderen Hand seinen Kiefer nach unten zog. Hörte es an den Zähnen kratzen, und dann kam – mit unbändiger Kraft – der Mageninhalt.
    Vielleicht war es das Erbrochene, das ihm die Metallkugel aus dem Mund drückte. Harry lehnte mit dem Kopf an der Wand und starrte auf das glänzend blanke Todesinstrument, das unter dem Nagel auf dem Bett in seinem Erbrochenen lag.
    Dann stand er auf, nackt und auf wackeligen Beinen. Er war frei.
    Er taumelte zur Tür, als ihm einfiel, weshalb er hierhergekommen war. Erst beim dritten Versuch gelang es ihm, die Bodenluke zu öffnen. Auf dem Weg nach unten rutschte er in seinem eigenen Blut aus und stürzte in die Dunkelheit. Während er auf dem Betonboden lag und atmete, hörte er einen Wagen vor dem Haus halten, Stimmen und das Schlagen von Autotüren. Harry rappelte sich auf und tastete sich im Dunkeln zur Leiter, stieg hoch und schloss die Klapptür, als er hörte, wie die Haustür geöffnet wurde, gefolgt von dem gnadenlosen Klicken des Apfels. Harry kletterte vorsichtig wieder nach unten, bis er den kalten Beton unter den Fußsohlen spürte. Dann schloss er die Augen und versuchte, sich zu konzentrieren. Holte das Bild aus seiner Erinnerung hervor. Das Regal links. Die Kalaschnikow. Eine Glock, eine Smith & Wesson. Der Koffer mit dem Märklin-Gewehr. Die Munition. In dieser Reihenfolge. Er tastete sich weiter vor. Die Finger glitten über einen Gewehrlauf, den glatten Stahl der Glock, bevor er die Form der Smith & Wesson erkannte, das gleiche Kaliber wie seine Dienstwaffe. Er nahm sie mit und tastete nach der Munition. Spürte das Holz unter den Fingerkuppen. Oben hörte er energische Schritte. Der Deckel war einfach zu öffnen. Mit etwas Glück … Er schob die Hand hinein, legte die Finger um eine Munitionsschachtel und drückte sie zusammen. Verdammt, zu groß. Als er den Deckel der nächsten Holzkiste öffnete, ging die Klapptür auf. Er schnappte sich eine Schachtel und hoffte einfach, das richtige Kaliber zu

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