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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Hole. Und lege den Schein dann gegebenenfalls in Ihr Postfach.«
    Harry biss die Zähne zusammen, um keine voreilige Bemerkung zu machen. Er wusste, dass ihr Vorgehen korrekt war.
    Ganz offensichtlich versuchte sie die Tatsache zu kompensieren, dass sie jung und unerfahren und eine Frau in einer von Männern dominierten Branche war. Aber sie zeigte den Willen, sich Respekt zu verschaffen, und stellte bei der ersten Gelegenheit klar, dass Dampfwalzentaktik bei ihr nicht zog. Gut. Trotzdem hätte er ihr gern die Brille von der Nase genommen und sie in der Mitte zerbrochen.
    »Wären Sie so freundlich, mich unter meiner Durchwahl anzurufen, wenn Sie sich entschieden haben?«, sagte er. »Mein Büro ist momentan ziemlich weit weg von den Postfächern.«
    »In Ordnung«, sagte sie gnädig.
     
    Harry war noch gut fünfunddreißig Meter von seinem Büro entfernt, als er die Tür sich öffnen hörte. Jemand kam heraus, schloss die Tür sorgfältig hinter sich, drehte sich um und ging raschen Schrittes durch den Tunnel auf Harry zu. Er zuckte zusammen, als er Harry sah.
    »Hab ich dich erschreckt, Bjørn?«, fragte Harry leise.
    Der Abstand zwischen ihnen betrug noch immer zwanzig Meter, aber die Wände trugen das Flüstern zu Bjørn Holm rüber.
    »Ein bisschen«, sagte er und rückte die bunte Rastamütze zurecht, die seine rote Mähne bedeckte. »Du schleichst dich immer so an.«
    »Hm. Und du?«
    »Was soll mit mir sein?«
    »Was tust du hier? Ich dachte, du hättest genug zu tun beim Kriminalamt. Wie ich höre, hast du eine neue, schöne Stelle.« Zwei Meter vor einem merklich verwirrten Holm blieb Harry stehen.
    »Schön, na ja«, sagte Holm. »Ich kann ja nicht das machen, was ich am liebsten mache.«
    »Und das wäre?«
    »Na, Kriminaltechnik. Kennst mich doch.«
    »Tu ich das?«
    »Hä?« Holm legte die Stirn in Falten. »Koordination von Taktik und Technik, was ist das schon? Anweisungen geben, Treffen einberufen, Berichte verschicken.«
    »Eine Beförderung«, sagte Harry. »Der Beginn von etwas Gutem, glaubst du nicht?«
    Holm schniefte. »Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, Bellman hat mich auf diese Stelle gehievt, weil er mich aus dem Weg haben wollte, damit ich ja keine Infos aus erster Hand bekomme, egal was. Vermutlich fürchtet er, dass ich sie sonst an dich weiterleiten würde, bevor er sie kriegt.«
    »Aber da irrt er sich«, sagte Harry und baute sich direkt vor dem Kriminaltechniker auf.
    Bjørn Holm blinzelte zweimal. »Verdammt, Harry, was ist los mit dir?«
    »Ja, verdammt, was ist los?« Harry hörte selbst, wie die Wut seine Stimme eng und metallisch klingen ließ. »Bjørn, was, zum Teufel, hast du im Büro verloren? Von deinen Sachen ist nichts mehr da.«
    »Verloren?«, sagte Bjørn. »Ich hab das hier geholt.« Er streckte die rechte Hand hoch, die ein Buch hielt. »Du hast gesagt, du legst es an die Rezeption, klickert’s?«
    Hank Williams, The Biography.
    Harry spürte, wie ihm die Schamröte ins Gesicht stieg.
    »Hm.«
    »Hm«, äffte Bjørn ihn nach.
    »Das lag schon im Umzugskarton«, sagte Harry. »Aber auf halber Strecke im Tunnel haben wir wieder kehrtgemacht. Und dann hab ich nicht mehr dran gedacht.«
    »Okay. Kann ich jetzt gehen?«
    Harry trat zur Seite und hörte Bjørn fluchend durch den Tunnel stapfen.
    Er betrat das Büro.
    Ließ sich auf seinen Stuhl fallen.
    Sah sich um.
    Er blätterte im Notizblock. Er hatte sich während des Gespräches keine Notizen gemacht, nichts, was auf Tony Leike als Verdächtigen hinwies. Harry zog die Schreibtischschubladen auf, um nachzusehen, ob Bjørn dort vielleicht etwas gesucht hatte. Dem schien nicht so zu sein. Hatte Harry sich womöglich geirrt? Bestand Hoffnung, dass Holm doch nichts an Bellman hatte durchsickern lassen?
    Harry sah auf die Uhr. Hoffte, dass die neue Polizeijuristin eine schnelle Esserin war, und tippte auf irgendeine Taste auf der Tastatur. Der Bildschirm erwachte zum Leben und präsentierte ihm die letzte Seite seiner Google-Suche. Im Suchfeld strahlte ihm ein Name entgegen: Tony Leike.

KAPITEL 41
     
    Haftbefehl
     
    A lso«, sagte Aslak Krongli und drehte die Kaffeetasse hin und her. Sie wirkte in seiner Hand wie ein Eierbecher. Kaja hatte ihm gegenüber an einem Fenstertisch Platz genommen. Die Kantine des Polizeipräsidiums lag in der obersten Etage des Gebäudes und war wie alle anderen Kantinen des Landes. Groß, hell und sauber, aber nicht so gemütlich, dass man verleitet wurde, dort länger als unbedingt

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