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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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und Ganzen schufteten sie wie echte Helden. Deshalb hatte Bellman nicht nur sich selbst, sondern auch seinen Kollegen den vermeintlichen Triumph gegönnt: die Verhaftung von Tony Leike.
    »Sie haben heute die Zeitung gelesen«, begann er und blickte über die Versammlung.
    Er hatte seinen Arsch gerettet. Die Titelseiten von zwei der drei größten Zeitungen zeigten das gleiche Bild: Tony Leike, der vor dem Präsidium in ein Auto steigt. Die dritte titelte mit einem Bild von Harry Hole, einem Archivfoto aus der Talkshow, in der er über den Schneemann gesprochen hatte.
    »Wie Sie sehen, übernimmt Harry Hole die volle Verantwortung. Was nicht mehr als recht und billig ist.«
    Er hörte das Echo seiner Worte, das von den Wänden zurückgeworfen wurde, und blickte in stille, erschöpfte Gesichter. Oder war das Resignation? Wenn das der Fall war, musste er dagegen ankämpfen, denn der Fall hatte sich zugespitzt. Der Chef des Kriminalamtes war bei ihm gewesen und hatte ihn darüber informiert, dass das Ministerium angerufen und sich nach dem Stand der Dinge erkundigt hatte. Ihre Zeit lief ab.
    »Wir haben also keinen Hauptverdächtigen mehr«, sagte er. »Die gute Nachricht aber ist, dass wir neue Spuren haben, und die gehen alle von der Håvasshütte in Ustaoset aus.«
    Er trat an den PC , drückte eine Taste, und die erste Seite der Power-Point-Präsentation, die er in der Nacht zusammengestellt hatte, leuchtete auf.
    Eine halbe Stunde später war er alle Fakten durchgegangen, die sie hatten. Alle Namen, Zeiten und vermutlichen Routen.
    »Die Frage lautet«, sagte er und schaltete den Computer aus, »um was für Morde es sich hier eigentlich handelt. Ich glaube, wir können den typischen Serienmörder mittlerweile ausschließen. Die Opfer wurden nicht zufällig aus einer demographischen Gruppe ausgewählt, sondern stehen in Zusammenhang mit einem bestimmten Ort und einer ganz konkreten Zeitspanne. Es besteht also Grund zur Annahme, dass es ein klares Motiv gibt, das eventuell sogar rational begründet ist. Das würde uns die Arbeit enorm erleichtern: Finden wir das Motiv, haben wir auch den Täter.«
    Bellman sah einige seiner Leute nicken.
    »Das Problem ist, dass es keine Zeugen gibt, die uns etwas erzählen könnten. Die einzige, die unseres Wissens noch am Leben ist, Iska Peller, lag krank und allein in einem der Schlafräume und hat den ganzen Tag und die folgende Nacht verschlafen. Die anderen sind entweder tot oder haben sich nicht gemeldet. Wir wissen zum Beispiel, dass Adele Vetlesen mit einem Mann dort war, den sie erst kurz zuvor kennengelernt hatte. Niemand aus ihrem Freundeskreis scheint diesen Mann zu kennen, so dass wir wohl von einer äußerst kurzfristigen Beziehung ausgehen müssen. Ferner wissen wir, mit welchen Männern sie via Telefon und Internet Kontakt hatte, aber es braucht Zeit, alle zu erreichen. Solange wir keine Zeugen haben, müssen wir uns einen ganz eigenen Ausgangspunkt schaffen. Wir brauchen Hypothesen, um ein Motiv zu formulieren. Was ist das Motiv für den Mord an mindestens vier Menschen?«
    »Eifersucht oder Stimmen im Kopf«, war von ganz hinten aus dem Raum zu hören. »Das sagt die Erfahrung.«
    »Einverstanden. Wer könnte Stimmen im Kopf haben, die ihm befehlen, Menschen zu töten?«
    »Jeder mit einer psychiatrischen Krankengeschichte«, sang eine Stimme in nordnorwegischem Dialekt.
    »Und alle ohne«, antwortete eine andere Stimme.
    »Okay, wer könnte eifersüchtig sein?«
    »Lebensgefährten oder Ehepartner von denen, die da waren.«
    »Und auf wen trifft das zu?«, fragte Bellman.
    »Aber wir haben doch bereits die Alibis der Angehörigen der Toten überprüft und auch alle möglichen Motive«, sagte ein anderer. »Das tun wir doch immer als Erstes. Entweder hatten sie keine festen Partner, oder wir konnten sie inzwischen als Tatverdächtige ausschließen.«
    Mikael Bellman wusste genau, dass sie nur Gas gaben, während die Räder des Wagens noch immer in dem Loch hingen, in dem sie schon eine Weile feststeckten. Trotzdem kam es jetzt genau darauf an: Sie mussten Gas geben. Denn er zweifelte nicht daran, dass die Håvasshütte ein Brett war, das sie unter den Reifen schieben konnten, um wieder freizukommen.
    »Wir haben nicht alle Lebensgefährten oder Ehepartner ausgeschlossen«, sagte Bellman und wippte auf den Hacken. »Wir haben sie nur nicht als verdächtig eingestuft. Wer hatte kein Alibi für die Zeit des Mordes an seiner Frau?«
    »Rasmus Olsen!«
    »Korrekt. Und

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