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Leopard

Leopard

Titel: Leopard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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durch nass waren.
    Er betrat die Treppe und drückte den Klingelknopf ohne Namensschild.
    Vor der Tür standen ein Paar zierliche Damenschuhe, neben einem Paar Herrenschuhe. Größe 46, schätzte Harry. Kajas Mann war allem Anschein nach groß. Wie hatte er nur glauben können, dass sie keinen hatte? Und das hatte er doch wohl? Egal, das war jetzt unwichtig. Die Tür öffnete sich.
    »Harry?« Sie trug eine offene, viel zu große Wolljacke, abgetragene Jeans und Filzpantoffeln, die so alt waren, dass sie – darauf hätte Harry wetten können – irgendwo Stockflecken hatten. Keine Schminke. Nur freudige Überraschung. Trotzdem schien sie irgendwie mit ihm gerechnet zu haben. Und auch damit, dass ihm ihre Aufmachung gefiel. Schon in Hongkong hatte er an ihrem Blick die Faszination ablesen können, die viele Frauen gegenüber Männern empfinden, die einen gewissen Ruf haben, egal ob gut oder schlecht. Er hatte die Beweggründe, die ihn in Summe vor diese Tür geführt hatten, nicht wirklich analysiert. Gut, dass er sich nicht die Mühe gemacht hatte. Schuhgröße 46. Wenn nicht 46 ½.
    »Hagen hat mir deine Adresse gegeben«, sagte Harry. »Du wohnst nicht weit von meiner Wohnung weg, und da dachte ich, ich könnte genauso gut vorbeikommen, statt anzurufen.«
    Sie grinste schief. »Du hast kein Handy.«
    »Falsch.« Harry fischte ein rotes Telefon aus der Tasche. »Das habe ich von Hagen bekommen, aber ich weiß den PIN-Code nicht mehr. Störe ich?«
    »Nein, nein.« Sie öffnete die Tür ganz und ließ Harry in die Wohnung.
    Es war albern, aber sein Herz schlug eine Ahnung schneller, als er eintrat. Fünfzehn Jahre zuvor hätte ihn das geärgert, aber er hatte resigniert, die banale Tatsache akzeptiert, dass die Schönheit einer Frau immer diese sanfte Macht über ihn ausübte.
    »Ich koche mir gerade einen Kaffee, willst du auch einen?«
    Sie waren ins Wohnzimmer gelangt. Als Erstes fielen ihm die Bilder und Regale an den Wänden auf. Die Menge der Bücher ließ ihn daran zweifeln, dass sie alle eigenhändig zusammengetragen hatte. Außerdem hatte der Raum einen ausgeprägt maskulinen Stil. Große, kantige Möbel, ein Globus, eine Wasserpfeife, Schallplatten, Karten und Fotografien von hohen, schneebedeckten Bergen. Harry kam zu dem Schluss, dass ihr Mann einige Jahre älter als sie sein musste. Ein Fernseher lief, jedoch ohne Ton.
    »Marit Olsen ist die Attraktion aller Nachrichtensendungen«, sagte Kaja, nahm die Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus. »Zwei Oppositionsführer haben sich zu Wort gemeldet und schnelle Ermittlungsergebnisse gefordert und bemängelt, dass die Regierung in der letzten Zeit die Polizei systematisch verkleinert hat. Das Kriminalamt wird in den nächsten Tagen keinen ruhigen Job haben.«
    »Ich nehme gerne auch einen Kaffee, danke«, sagte Harry, und Kaja verschwand in die Küche.
    Er setzte sich aufs Sofa. Auf dem niedrigen Tisch lag eine feminine Lesebrille neben einem aufgeschlagenen John-Fante-Buch. Daneben Bilder vom Frognerbad. Nicht vom Tatort selbst, sondern von den Schaulustigen, die auf der anderen Seite des Zauns zusammengelaufen waren. Harry brummte zufrieden. Nicht nur weil sie sich Arbeit mit nach Hause genommen hatte, sondern weil die Kriminaltechniker noch immer diese Art von Tatortfotos machten. Harry hatte eingeführt, grundsätzlich alle Anwesenden zu fotografieren, nachdem er auf dem FBI -Seminar über Serienmörder gelernt hatte, dass es nicht bloß ein Mythos war, dass viele Täter tatsächlich an den Tatort zurückkehrten. Sowohl die King-Brüder in San Antonio als auch der K-Mart-Man waren geschnappt worden, weil sie ihr Werk hatten genießen wollen. Sie hatten sich an der Panik gelabt, die sie ausgelöst hatten, und sich dabei unverwundbar gefühlt. Die Fotografen von der Kriminaltechnik nannten dieses Vorgehen Holes sechstes Gebot. Und ja, es gab noch neun andere. Harry blätterte die Bilder durch.
    »Du nimmst keine Milch, oder?«, rief Kaja aus der Küche.
    »Ja.«
    »Wirklich? In Heathrow …«
    »Ich meine, ja, du hast recht, ich nehme keine Milch .«
    »Aha. Du hast Kantonesisch gelernt.«
    »Was?«
    »Benutzt keine doppelten Verneinungen mehr. Wie im Kantonesischen. Du hast es wohl gerne logisch.«
    »Habe ich das? Kantonesisch?«
    »Ich weiß nicht«, kam es lachend aus der Küche. »Ich wollte nur was Schlaues sagen.«
    Harry konnte erkennen, dass der Fotograf diskret aus der Hüfte fotografiert und keinen Blitz verwendet hatte. Die

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