Leopard
unfreiwillig-komisch-aber-trotzdem-verdammt-gut. Speed King . Ian Paice am Schlagzeug. Er setzte sich aufs Sofa und presste die Fingerspitzen gegen die Schläfen. Die Hunde rissen an ihren Leinen. Heulten, knurrten, fletschten die Zähne und zerrten an seinen Eingeweiden. Wenn er sie dieses Mal losließ, gab es kein Zurück mehr. Früher hatte es immer gute Gründe gegeben, wieder aufzuhören. Rakel, Oleg, die Arbeit, ja, vielleicht sogar seinen Vater. Ihm war keiner dieser Gründe geblieben. Es durfte nicht geschehen. Kein Alkohol. Also brauchte er eine Alternative. Einen Rausch, den er kontrollieren konnte. Danke, Kaja. Schämte er sich nicht? Natürlich schämte er sich. Aber Stolz war ein Luxus, den man sich nicht zu jeder Zeit leisten konnte.
Er riss das Plastik von der Zigarettenstange. Nahm das untere Päckchen heraus. Dass das Siegel gebrochen war, war kaum zu erkennen. Es war ganz einfach eine Tatsache, dass Frauen wie Kaja nie vom Zoll kontrolliert wurden. Er öffnete die Schachtel und zog die Aluminiumfolie heraus. Faltete sie auf und betrachtete den braunen Klumpen. Inhalierte den süßen Duft.
Dann begann er mit den Vorbereitungen.
Harry hatte alle möglichen Arten gesehen, Opium zu rauchen. Von den komplizierten rituellen Prozeduren in den Opiumhäusern, die an chinesische Teezeremonien erinnerten, über diverse Pfeifenarrangements bis hin zur einfachsten Methode: den Klumpen anzustecken, einen Strohhalm an die Glut zu halten und wie verrückt zu inhalieren, während sich die Kostbarkeit buchstäblich in Luft auflöste. Bei allen diesen Methoden ging es immer um dasselbe: die Wirkstoffe – Morphin, Tebain, Codein und einen bunten Strauß weiterer chemischer Freunde
– in die Blutbahn zu leiten. Harrys Methode war einfach. Er klebte einen Metalllöffel ans Ende des Tisches, platzierte ein Stückchen aus dem Klumpen darauf, nicht größer als ein Streichholzkopf, und wärmte es mit einem Feuerzeug auf. Begann das Opium zu rauchen, hielt er ein gewöhnliches Glas darüber, in dem sich der Rauch sammelte. Zu guter Letzt steckte er einen Strohhalm, am besten einen mit Gelenk, in das Glas und atmete ein. Harry registrierte, dass seine Finger ohne den Anflug eines Zitterns arbeiteten. In Hongkong hatte er in regelmäßigen Abständen den Grad seiner Sucht kontrolliert, so gesehen war er der disziplinierteste Drogenabhängige, den er kannte. Er konnte vorab die Alkoholmenge für sich festlegen und hörte dann auch tatsächlich auf, wie besoffen er in diesem Moment auch sein mochte.
In Hongkong hatte er das Opium immer mal wieder für eine Woche oder vierzehn Tage weggelassen und stattdessen ein paar Paralgin forte genommen. Sie hatten keinen Einfluss auf die Entzugserscheinungen, sondern waren allenfalls psychologisch von Bedeutung, weil er wusste, dass sie kleine Mengen Morphin enthielten. Er war nicht abhängig, nicht vom Rausch allgemein und wohl auch nicht vom Opium, andererseits war ihm vollkommen bewusst, dass die Übergänge fließend waren. Denn bereits als er den Löffel an den Tisch klebte, spürte er, dass die Hunde sich beruhigten. Sie wussten, dass sie bald etwas bekommen würden.
Und sie würden Ruhe bewahren. Bis zum nächsten Tag.
Das glühend heiße Feuerzeug verbrannte bereits Harrys Finger. Auf dem Tisch lagen die Strohhalme aus dem McDonald’s.
Eine Minute später hatte er den ersten Zug genommen.
Die Wirkung kam unmittelbar. Die Schmerzen verschwanden, sogar die, von denen er gar nichts wusste, und wurden ersetzt durch Assoziationen und Bilder. In dieser Nacht würde er endlich schlafen können.
Bjørn Holm konnte nicht schlafen.
Er hatte es mit Lesen versucht. Escotts Hank Williams. The Biography über das kurze Leben und lange Sterben der Countrylegende, dann hatte er Lucinda Williams’ Bootleg-CD von einem Konzert in Austin gehört und zuletzt versucht, TexasLonghorn-Kühe zu zählen, doch alles ohne Erfolg.
Ein Dilemma. Genau das war es. Ein Problem, für das es keine wirkliche Lösung gab. Der Kriminaltechniker Holm hasste diese Art von Problemen.
Er kauerte sich auf dem etwas zu kurzen Schlafsofa zusammen. Neben der Schallplattensammlung mit Elvis, den Sex Pistols und Jason & The Scorchers, drei handgenähten Hemden aus Nashville, einer amerikanischen Bibel und einem Esstisch, der bereits drei Generationen Holm überlebt hatte, war dies eines der wenigen Stücke der Einrichtung, die er aus Skreia mitgebracht hatte. Aber es gelang ihm nicht, sich zu
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