Leopardenblut (German Edition)
wären, hätten wir überhaupt keine Möglichkeit, das Mädchen zu retten.“
Das Läuten ihres Organizers unterbrach unerwartet die Stille. Sie sah sich die Nachricht an. „Das war Mutter. Ich werde nicht darauf antworten. Wenn sie fragen sollte, erzähle ich ihr, ich hätte vergessen, den Organizer mitzunehmen.“
„Was ist mit Enrique?“
„Ich glaube, der ist viel zu sehr damit beschäftigt, sich um die Suche des Netkopfes nach dem Mörder zu kümmern.“ Sie lehnte sich vor und kniff die Augen zusammen. „Ich kann sie nicht sehen.“
„Natürlich nicht. Das ist ja ihre Aufgabe.“ Vaughn und Clay hatten den Wagen schon vor einiger Zeit verlassen und hielten sich nun während ihrer Fahrt durch Hawkes Territorium an ihrer Seite. Sie konnten sich sogar in die Höhle des Wolfes einschleichen und hatten das zusammen mit Lucas auch schon getan. Dorian war vorausgefahren, hatte den Wagen versteckt und sich in den Bäumen verkrochen. Er hatte ihnen bereits über eine sichere Verbindung mitgeteilt, dass er sich über der Höhle befand.
„Ist es das?“ Sascha zeigte auf die kaum sichtbaren Wände einer großen Hütte, die hinter einer Reihe von Kiefern aufblitzten.
„Nein.“ Er grinste über die schlauen Wölfe. „Aber das hat bestimmt schon ein paar Angreifer in die Irre geführt.“
„Es ist nur eine Fassade? Aber es sieht so echt aus.“
„Es ist eine richtige Hütte, aber es ist nicht das Versteck.“ Er fuhr um das Haus herum und stellte den Wagen ab. „Bleib sitzen, bis ich bei dir bin.“
Dieses Mal widersprach sie nicht. „Das ist deine Welt, Lucas. Ich bin die Novizin.“
Er legte die Hand in einer flüchtigen Liebkosung an ihre Wange, stieg dann aus und ging auf die andere Wagenseite. Kein Wolf würde ihn hinterrücks angreifen. Ebenso wenig würde Dorian von seinem Platz in den Baumwipfeln auf einen unbewaffneten Wolf schießen. Sie waren Tiere, aber beide Rudel hatten einen Ehrbegriff, den die meisten Medialen nie verstanden hätten. Wenn es zu einem Kampf käme, würden sie sich von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, Faust gegen Faust, Kralle gegen Kralle, und nicht durch die Kugel eines Heckenschützen fallen.
Dennoch würde er das Leben seiner Frau nicht aufs Spiel setzen. Er zog witternd die Luft ein und vergewisserte sich damit, dass Vaughn und Clay in der Nähe waren. Genau wie er erwartet hatte, waren auch einige Wölfe in der Umgebung. Keiner kam ihnen zu nahe. Das war gut. Er öffnete Saschas Tür und sie stieg aus.
Er schlug die Tür zu. „Halt dich hinter mir.“ Wieder schob er seinen Körper vor ihren.
„Ich spüre fünf emotionale Energien, die ich nicht kenne“, flüsterte sie sehr leise.
Er hob die Augenbrauen. „Ich wusste nicht, dass du das kannst.“
„Ich habe geübt.“ Das klang fast stolz, als hätte sie ihre Angst, mit einem Makel behaftet zu sein, überwunden. „Vaughn und Clay sind auch hier, einer ist vor und einer hinter uns.“
„Dann mal los.“ Der Wald vor ihnen schien unendlich groß zu sein, die dunkelgrünen Kiefern standen so eng zusammen, dass sie kein Sonnenlicht hindurchließen. Nach fünf Minuten kamen sie auf einen Weg, der von kunstvoll drapiertem Laub und toten Zweigen fast verborgen wurde.
„Normalerweise“, erzählte er Sascha, „wird man hier in Empfang genommen, wenn man überhaupt so weit kommen konnte. Es ist nie auch nur ein Knochen der Vermissten aufgetaucht.“ Das Raubtier in ihm wusste diese Effizienz zu schätzen.
„Meinst du, sie fressen sie?“
Er grinste über ihren Versuch, einen blutrünstigen Witz zu reißen. „Nicht mal Wölfe stehen auf menschliches Aas.“
Ihre Hand legte sich auf seine Schulter. Er entspannte sich. Seine Frau fing an, ihm auf einer so tiefen Ebene zu vertrauen, dass es ihr nicht einmal bewusst war.
Zwanzig Minuten später erreichten sie das Ende des gewundenen Weges und standen vor der zerklüfteten Wand eines steil aufragenden Berges. Es schien, als käme man hier nicht weiter; schon jahrelang schützte diese Illusion die SnowDancer-Wölfe.
„Mach auf, Hawke!“ Lucas sprach mit lauter Stimme, denn nur Leoparden und Wölfe konnten ihn hören.
Kurz darauf zeigte sich auf wundersame Weise ein Riss im unteren Teil des Berges. Die „Tür“ öffnete sich gerade weit genug, damit sie beide hineinschlüpfen konnten. Lucas spürte, wie sehr Sascha diese Konstruktion faszinierte, wollte aber erst drinnen darüber sprechen. Nachdem sich die Wand hinter ihnen wieder geschlossen
Weitere Kostenlose Bücher