Ler-Trilogie 02 - Die Zan-Spieler
stehenden Teiches ausdehnten, abgelenkt durch Pflanzen und Abfälle und von ihnen erstickt … wieder ein Impuls, gefolgt von Schweigen. Indem er voraussetzte, daß der erste, den er gehört hatte, auch tatsächlich der erste gewesen war, zählte er sie, während die beinahe unhörbaren Impulse nach und nach durch die feuchte Luft strömten. Die achtzehnte Stunde. Er wußte nicht, wer das sein konnte, der dort den Abend einläutete, aber er wandte sich in die Richtung, aus der das Läuten gekommen war. Es war fast vollkommen dunkel, als er sich nach einigem Stolpern sicher war, doch noch an ein Ziel zu kommen; es waren bebaute Felder, es war beschnittenes Reisig zu sehen, und das Ganze machte den Eindruck von Ordnung und Sauberkeit, fast von etwas Parkähnlichem, als er näherkam. Ein leichter Sprühregen hatte eingesetzt. Morlenden folgte einem Etwas, das wie ein häufig benutzter Pfad aussah. Da vorn war etwas.
Während er so weitermarschierte und in dem schlechten Licht halb dahinstolperte, wäre er fast in eine Gestalt hineingelaufen, die mitten auf dem Pfade in der Haltung des schweigenden Wartenden stand. Sie trug ein dunkles Winterpleth mit Kapuze und stand mit geneigtem Kopf da, selbst als Morlenden näher herankam. Morlenden ging um die Gestalt herum, bis er genau vor ihr stand, und spähte in die dunkle Kapuze hinein. Innen hob sich ein Paar ruhiger Augen langsam vom Boden bis zu Morlendens Gesicht empor und fixierte ihn mit einem gefaßten, ausdruckslosen Blick.
Morlenden sprach: „Ich bin ein Wanderer mit Namen Morlenden Deren. Ich bin auf dem Heimweg, und der Regen und der Einbruch der Nacht haben mich draußen überrascht. Gibt es hier in der Nähe einen Unterstand?“
Die Gestalt sprach nicht, sondern hob ihren Arm und zeigte den Pfad hinunter in die gleiche Richtung, in die Morlenden gegangen war, und neigte den Kopf einmal in dieselbe Richtung. Dann kehrte die Gestalt wieder zu ihrer Meditation zurück, indem sie erneut zur Erde sah, als ob Morlenden derjenige sei, der wie ein Geist wirkte.
Morlenden erkundigte sich höflich: „Sprichst du nicht?“
Die schweigsame Gestalt erwiderte nichts, ja, sie ließ nicht einmal mehr erkennen, daß sie Morlendens Anwesenheit überhaupt je wahrgenommen hatte.
Morlenden drängte nicht weiter, da er zu dem Schluß gekommen war, daß er bereits dabei war, irgendein heikles Gleichgewicht zu stören; er wandte sich von der Gestalt ab und ging in der angegebenen Richtung weiter. Nachdem er ein paar Biegungen des Pfades hinter sich gelassen hatte, der jetzt von hohen und dickten Hecken aus Liguster und Feuerdorn gesäumt war, stieß er auf ein einfaches Holztor und hinter diesem auf eine weitläufige Ansammlung von Gebäuden aus grobem Stein und teilweise Holzfachwerk, einige davon offensichtlich Viehställe, andere Werkstätten. Ein paar waren größer und hatten zwei Stockwerke, anscheinend die Wohnquartiere. Weitere Gestalten mit Kapuzen waren auf den Beinen; sie erledigten ihre Geschäfte mit betonter Langsamkeit. Eine kam an Morlenden vorbei, blieb stehen und wies auf eines der großen Gebäude. Dann drehte sie sich um und ging weiter ihres Weges, wobei das Ganze in vollkommener Stille vonstatten ging. Eines wußte er nun: Es mußte eine Ältestenhütte sein. Aber welche?
Als er auf das angegebene Gebäude zuging, fand Morlenden eine Tür und trat ein. Innen war eine niedrige Theke und dahinter ein ziemlich kleines und eher dürftiges Refektorium. Die Theke war durch eine massive Platte aus blauem Glas geschützt und trug eine Aufschrift, die in umgekehrten Lettern in die Unterseite geritzt war; sie lautete: Granithütte. In kleineren Lettern hieß es: INNERE EINKEHR UND SCHWEIGEN. Morlenden entdeckte ein hübsches kleines Schild an einem Pfosten, auf dem mitgeteilt wurde: Höfliche Besucher werden an unseren Meditationen teilhaben. In der Schenke wird zwischen der fünften und der achten Stunde Essen ausgegeben. Unterkünfte ein Stockwerk höher. Der einsichtige Gast wird die Auflistung von Einzelpreisen für unnötig halten. Morlenden verstand; er griff tief in den Beutel, den er an der Hüfte trug und entnahm ihm mehrere kleine Münzen, welche er in eine geeignete Vertiefung in der gläsernen Oberfläche legte. Er sah sich unsicher um. Es schien niemand im Refektorium zu sein. Er suchte nach einer Treppe oder einem Gang zum anderen Teil des Gebäudes; weit rechts endete ein verdunkelter Gang mit einer schmalen Treppe. Morlenden machte sich in diese
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