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Lerchenherzen

Lerchenherzen

Titel: Lerchenherzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Skjelbred
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das tut.
    Als Harriet für jeden von ihnen beiden zwei Blüten abschneidet, die sie mit nach Hause nehmen können, ist er dermaßen von Dankbarkeit erfüllt, daß er nicht sprechen und danke sagen kann, sondern nur einen tiefen Diener macht. Aber Solfrid bedankt sich laut für alle beide und umarmt rasch noch Peder, der vor der Hauswand in der Sonne sitzt, ehe sie und Nils-Jan Hand in Hand durch die Pappelallee rennen. Auf halbem Wege hält sie an und gibt ihm ihre zwei Pfingstrosen. Sie weiß nicht ganz, warum, aber das magan seinem feierlichen, beinahe verzückten Gesichtsausdruck liegen, der sie das tun läßt. Er sagt noch immer nichts, geht nur weiter, die Hände voller herrlicher, schwach duftender Blüten.
    Er will sie Mathilde schenken. Das ist plötzlich vollkommen sonnenklar, daß Mathilde diese phantastischen Blüten bekommen soll, nicht Ragnhild. Er fühlt eine warme, erwartungsvolle Freude beim Gedanken an Mathilde, wenn sie die Blüten sehen wird. Sie macht niemals viel Aufhebens um die Blumen, mit denen er ankommt, aber ihre Hände ordnen sie so schön. Er schaut Mathilde gerne zu, wenn sie Blumen anordnet.
    Unterwegs treffen sie Hallvard und Anne-Grete, die wollen, daß sie zusammen Bing-bang-Blechdose spielen. Nein, er muß nicht mit den Pfingstrosen zuerst nach Hause gehen, die können sie so lange an den Wegrand pflanzen, entscheiden die zwei und wühlen eine Art Beet auf mit einem Stock, zwicken die Blütenstengel ab, ganz oben beim Kopf, und stecken die Blüten in die Erde. Wenn sie zurückkommen, werden es viel mehr geworden sein, versichern sie, weil das mit Blumen so ist.
    Aber Nils-Jan spürt, das ist ganz falsch. Beim Anblick der amputierten Blütenköpfe beginnen seine Mundwinkel zu zittern, und die Augen füllen sich mit Tränen.
    »Sie müssen Wasser haben«, flüstert er zaghaft.Er hat nicht gewagt, gegen die Operation zu protestieren, ehe es zu spät war. Er wohnt erst seit ein paar Monaten auf Ås und ist im Umgang mit anderen Kindern immer noch sehr ängstlich und scheu.
    »Sieh mal«, sagt Anne-Grete und zeigt auf den Himmel, wo ein klitzekleiner weißer Wattebausch friedlich in der Bläue schwebt.
    »Schau, da ist eine Wolke, bestimmt gibt es bald Regen«, sagt sie sorglos, ohne den Umfang der Katastrophe zu ahnen, die sie angerichtet hat.
    »Komm schon, Nils-Jan«, rufen alle drei und rennen los, um Bing-bang-Blechdose zu spielen. Und Solfrid dreht sich um und wiederholt: »Komm schon, Nils-Jan«, ehe sie hinter den anderen den Hang hinunter verschwindet.
    Nils-Jan hebt langsam die Pfingstrosen auf und geht weinend mit ihnen nach Hause. Mathilde fährt hoch, als er laut schluchzend in die Küche tritt. Sie ist allein, Lars und Ragnhild sind im Kuhstall. Sie macht nicht einmal eine Bemerkung wie, er »soll sich nicht anstellen«, was sie durchaus getan haben könnte. Sie streicht ihm nur rasch übers Haar und holt eine große Schüssel hervor, die sie mit Wasser füllt. Die trägt sie in ihre Kammer, denn ohne daß er das sagen muß, hat sie gespürt, diese Blumen sind für sie, nur für sie. – Aber warum zittern deine Hände so, Mathilde? Das Wasser in der Schüssel schwappt ja über! Washat es mit diesen duftenden Blütenköpfen auf sich, die dich so aus der Fassung bringen, daß du nicht schaffst, zu dem Jungen, der sie dir gebracht hat, ein Wort zu sagen?
    Sie setzt die schwere Steingutschüssel vorsichtig auf der Truhe ab, es ist etwas schwierig, weil sie auf dem gebogenen Deckel nicht sicher steht, aber sie legt auf jeder Seite ein Paar zusammengerollte Strümpfe drunter. Und gemeinsam lassen sie vorsichtig die vier Blütenköpfe hineingleiten. Die schwimmen auf der Wasserfläche, und die Blütenblätter spiegeln sich gegen den dunklen Grund der Schüssel.

36
    Ich muß dir jetzt von Solfrid erzählen, von Solfrid, die für dich so viel bedeuten wird. Wenn ich den Namen nenne, verbindest du nichts mit ihm. Du siehst mich nur an mit Augen, so groß und glänzend, daß ich mich in ihnen spiegeln kann. Ich sehe mein eigenes trauriges Gesicht in deinen schwarzen Pupillen, aber der Ausdruck in ihnen offenbart nicht, was du von mir hältst. Nicht einmal das rasche Lächeln, das mitunter über dein Gesicht huscht, sagt etwas über deine Meinungvon mir. Du siehst das, was ich sehe – das Gesicht einer jungen Frau, so traurig, so schrecklich traurig. Die sorglose kleine Solfrid wirst du niemals kennenlernen.
    Solfrid kam an einem Frühlingstag Mitte der vierziger Jahre auf die Welt,

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