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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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ziehen, daß die Polizei in jener Zeit keinen guten Stand hatte; die liberale Presse sah ihr scharf auf die Finger. Einige willkürliche Verhaftungen, um die in den Zeitungen ein großes Aufheben gemacht worden war, waren sogar in der Kammer erörtert worden, und die Präfektur war verschüchtert. Ein Attentat auf die persönliche Freiheit war kein Scherz. Die Agenten fürchteten sehr, sich zu vergreifen, denn im Ernstfalle hielt der Präfekt sich an sie. Ein Irrtum konnte die Dienstentlassung bedeuten. Man stelle sich nur die Wirkung einer kurzen Nachricht, die durch zwanzig Blätter läuft und folgendermaßen lautet, vor:
    »Gestern wurde ein bejahrter Mann, Großvater, ein ehrenwerter Rentner mit weißen Haaren, der sein achtjähriges Enkelkind spazierenführte, verhaftet und als entsprungener Galeerensträfling in der Polizeidirektion eingeliefert.«
    Wenn wir also wiederholen, daß Javert seiner Sache noch nicht ganz sicher war, so wird begreiflich, daß die Stimme des Gewissens, verbunden mit der des warnenden Präfekten, ihre Wirkung tun mußte.
    Jean Valjean zeigte ihm den Rücken und marschierte durch die Finsternis. Seine traurige Gemütsverfassung, seine Unruhe, die Angst, der Umstand, daß er obdachlos durch die Nacht wanken mußte, und gar noch die Notwendigkeit, seine Gangart dem des Kindes anzupassen, alles das verursachte, ohne sein Wissen, eine derartige Veränderung in Jean Valjeans ganzer Haltung und verlieh ihm etwas so Greisenhaftes, daß selbst die Polizei, selbst ein Javert unsicher werden konnte und wurde. Dazu kam, daß man nicht allzu nahe an die Verfolgten herangehen durfte, schließlich die Erklärung des Thénardier, der ihn den wirklichen Großvater der Kleinen genannt hatte, und die amtliche Bestätigung des Todes im Bagno.
    Einmal verfiel er darauf, einfach an Valjean heranzutreten und sich seine Papiere zeigen zu lassen. Wenn jener Mann aber nicht Jean Valjean war, zugleich aber auch nicht der brave alte Rentner, sondern irgendein anderer Gauner, der womöglich mit irgendwelchen Pariser Verbrecherbanden in dunkler Verbindung stand, vielleicht sogar das Haupt einer gefährlichen Bande –? vielleicht hatte er Vertraute, Komplizen, nicht nur einen Unterschlupf, der ihm offenstand?
    Die Umwege, die der Unbekannte machte, schienen allerdings darauf hinzudeuten, daß man es hier nicht mit der Arglosigkeit in Person zu tun habe. Aber sein Opfer vorzeitig festnehmen, hieß das nicht den Braten vom Feuer nehmen, bevor er gar war? Was konnte denn passieren, wenn man wartete? Javert war seiner sicher genug, um ein neuerliches Entschlüpfen nicht zu befürchten.
    Er ging also hinter ihm her, und tausend Fragen bestürmten sein Gehirn. Als aber der Verfolgte in der Rue de Pontoise an einer hellerleuchteten Schenke vorüberkam, sah Javert ihm ins Gesicht und erkannte Jean Valjean endgültig. Es gibt auf dieser Welt zwei Geschöpfe, die so zittern können: die Mutter, die ihr Kind wiederfindet, und der Tiger, der seine Beute sieht. Auch Javert erschauerte.
    Sobald er endgültig wußte, daß er es mit dem furchtbaren Galeerensträfling zu tun hatte, bedachte er auch, daß er nur zwei Leute bei sich hatte, und forderte darum in dem Kommissariat inder Rue de Pontoise Verstärkung an. Wer einen Dornenstock ergreifen will, muß sich mit guten Handschuhen versehen.
    Dieser Aufenthalt und die Beratung am Kreuzweg Rollin hätten Javert bald seine Spur verlieren lassen. Rasch aber erriet er, daß es Valjeans erstes Bestreben sein mußte, den Fluß zwischen sich und seine Verfolger zu bringen. Sein sicherer Instinkt führte ihn geradewegs zur Austerlitzer Brücke. Eine einfache Anfrage an den Mautwächter klärte ihn vollständig auf.
    So erreichte der Polizist die Brücke rechtzeitig, um Jean Valjean mit Cosette den hellerleuchteten Platz am anderen Ufer überqueren zu sehen. Er bemerkte, daß die beiden in die Rue du Chemin-Vert-Saint-Antoine einbogen. Da fiel ihm ein, daß die Sackgasse Genrot am anderen Ende dieser Straße nur den Ausgang zur Rue Droit-Mur offenläßt. Er versicherte sich also dieser Ausbruchsstelle und sandte eiligst auf einem Umwege einen der Agenten dorthin. Eine Patrouille, die zum Arsenal zurückmarschierte, kam ihm in den Weg, er verlangte ihre Unterstützung. Bei solchen Unternehmungen sind Soldaten die besten Trümpfe, die man ausspielen kann. Auch ist es ein altes Prinzip, daß man auf der Jagd nach dem wilden Eber die Geschicklichkeit des Jägers mit der Kraft der Spürhunde

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