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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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um sein Knie.
    »Diesmal gilt es mir. Die Mutter Priorin verlangt nach mir. Herr Madeleine, warten Sie hier und rühren Sie sich so lange nicht. Wenn Sie Hunger haben, dort ist Wein, Brot und Käse.«
    Einige Minuten später klopfte Fauchelevent, dessen Glöcklein die Nonnen ringsum aus dem Wege gescheucht hatte, an eine kleine Tür, und eine sanfte Stimme antwortete:
    »Herein!«
    Es war die Tür des Sprechzimmers, das für die dienstlichen Meldungen des Gärtners bestimmt war. Es grenzte an den Kapitelsaal. Die Priorin saß auf dem einzigen Stuhl des Raumes und erwartete Fauchelevent.
Fauchelevent der Schwierigkeit gegenüber
    In kritischen Fällen sofort den nötigen Ernst und die angemessene innere Bewegtheit zur Schau zu stellen, ist ein Vorrecht gewisser Charaktere und Berufe, insbesondere aber der Priester und der Nonnen. Als Fauchelevent eintrat, war beides, Ernst und Bewegtheit, auf dem Gesicht der Priorin, der liebenswürdigen und gelehrten Mademoiselle de Blemeur, genannt Mutter Innocentia, die sonst so heiter war, zu erkennen.
    Der Gärtner grüßte sie scheu und blieb auf der Schwelle stehen. Die Priorin ließ den Rosenkranz durch ihre Finger gleiten, blickte auf und sagte:
    »Ach, Sie sind es, Vater Fauvent!«
    Diese Abkürzung war im Kloster üblich.
    Fauchelevent grüßte zum zweitenmal.
    »Ich habe Sie rufen lassen, Vater Fauvent.«
    »Hier bin ich, ehrwürdige Mutter.«
    »Ich habe mit Ihnen zu sprechen.«
    »Und auch ich möchte der ehrwürdigen Mutter etwas sagen«, erwiderte Fauchelevent mit einer Kühnheit, die ihn selbst in Erstaunen setzte.
    Die Priorin sah ihn an.
    »Ach, haben Sie mir eine Mitteilung zu machen?«
    »Eine Bitte.«
    »Gut, sprechen Sie.«
    Der wackere Fauchelevent gehörte zu jener Sorte von Bauern, die gern den Stier bei den Hörnern fassen. Unwissenheit, mit Geschicklichkeit gepaart, ist zuweilen eine Macht. Man achtet ihrer nicht, und schon hat sie uns untergekriegt. Seit mehr als zwei Jahren wohnte er im Kloster und erfreute sich allgemeiner Beliebtheit. Da er fast immer einsam und in seinem Garten wenig beschäftigt war, hatte er nichts anderes zu tun, als seine Neugierde zu stillen. Zwar sah er in dem Abstand, der ihm auferlegt war, die verschleierten Frauen, die vor ihm kamen und gingen, nur wie wandelnde Schatten. Dank der Aufmerksamkeit, die er ihnen widmete, waren diese Gespenster für ihn bald Fleisch und Blut geworden, und die er für tot gehalten, schienen ihm jetzt lebendig. Es war wie bei den Tauben, deren Gesichtssinn schärfer wird, oder wie bei den Blinden, die besser hören. Bald hatte er die Bedeutung der verschiedenen Glockenzeichen begriffen, und jetzt bot ihm das rätselhafte verschwiegene Kloster keine Geheimnisse mehr. Die Sphinx plauderte ihm ihre Rätsel aus. Fauchelevent wußte alles, schwieg über alles. Das war sein Trick. Man hielt ihn im Kloster für blöde. Blöde sein, das ist im Kloster ein großes Verdienst. Die Mütter hielten große Stücke auf ihn. Er war ein sonderbarer Kauz und dazu stumm. Flößte Vertrauen ein. Überdies war er verläßlich und ging nur aus dem Kloster, wenn glaubhafte Notwendigkeiten und Amtspflichten als Gemüse- und Obstgärtner ihn dazu zwangen. Diese Zurückhaltung wurde ihm hoch angerechnet. Nichtsdestoweniger hatte er zwei Männer zum Sprechen gebracht, im Kloster den Pförtner, der mancherlei aus dem Sprechzimmer verraten konnte, auf dem Friedhof den Totengräber, der Einzelheiten über die Begräbnisstätte wußte; so wußte er doppelt über seine Nonnen Bescheid, über ihr Leben und über ihren Tod. Doch mißbrauchte er diese Kenntnisse nicht. Die Kongregation hing an ihm. Alt, lahm, kurzsichtig, ein wenig taub – mehr Vorzüge konnte ein einziger Mann wirklich nicht aufweisen!
    Mit dem Selbstbewußtsein eines Mannes, dessen Wert anerkannt wird, begann er jetzt eine ebenso konfuse wie tiefgründige Rede vom Stapel zu lassen. Er verbreitete sich zunächst über sein Alter,allerlei Gebrechen, daß zum Beispiel die letzten Jahre geradezu doppelt zählen, dann über die Beschwerden der Arbeit, die Größe des Gartens, die Nachtarbeit (wie unlängst, da er wegen des Mondlichts die Melonen hatte einwickeln müssen), und kam endlich zu folgendem Ergebnis: er habe einen Bruder (Unruhe der Priorin), beileibe keinen jungen Bruder (die Priorin gibt Zeichen der Beruhigung), und dieser Bruder würde, wenn es erlaubt wäre, ganz gern zu ihm ziehen und ihm bei der Arbeit behilflich sein. Dieser Bruder sei ein

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