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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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gekommen. Zwei solche Begegnungen auf einmal, erst Thénardier, dann Javert – es war hart.
    Javert erkannte Jean Valjean nicht, denn er war durch die furchtbaren Anstrengungen des letzten Tages vollkommen entstellt. So begnügte sich der Polizist, mit einer kaum bemerkbaren Bewegung den Totschläger fester zu umfassen und kurz, aber ruhig zu fragen:
    »Wer sind Sie?«
    »Ich.«
    »Wer ist das, ich?«
    »Jean Valjean.«
    Javert nahm den Totschläger zwischen die Zähne, beugte sich vor, legte seine gewaltigen Hände auf Jean Valjeans Schultern, hielt ihn fest wie in einem Schraubstock und starrte ihm ins Gesicht. Die beiden Köpfe berührten einander fast. Javerts Blick war fürchterlich.
    Jean Valjean blieb regungslos unter Javerts Griff, wie ein Löwe, der sich von einem Luchs packen ließ.
    »Inspektor Javert«, sagte er endlich, »ich bin in Ihrer Hand. Übrigens betrachte ich mich ja seit heute morgen als Ihren Gefangenen. Ich habe Ihnen meine Adresse nicht gegeben, um auszureißen. Ich bitte Sie nur um eine Vergünstigung.«
    Javert schien nicht zu hören. Sein starrer Blick war auf Valjean gerichtet. Das hochgezogene Kinn drängte die Lippen aufwärts – Zeichen intensivsten Nachdenkens. Endlich ließ er Jean Valjean los, richtete sich auf und fragte leise:
    »Was tun Sie hier? Wer ist dieser Mann, und was haben Sie mit ihm zu schaffen?«
    Auch jetzt duzte er Jean Valjean nicht. Dieser antwortete:
    »Von ihm wollte ich gerade sprechen. Mit mir können Sie tun, was Sie wollen, aber helfen Sie mir erst, ihn nach Hause zu bringen. Sonst verlange ich nichts von Ihnen.«
    Javerts Gesicht verzog sich krampfhaft wie immer, wenn jemand ihn einer Nachgiebigkeit für fähig hielt. Aber er lehnte nicht ab. Wieder beugte er sich vor, zog ein Tuch aus der Tasche, tauchte es in das Wasser und wischte das Blut von Marius’ Stirn.
    »Dieser Mann war auf der Barrikade«, sagte er leise, als ob er mit sich selbst spräche, »es ist der, den sie Marius nannten.«
    Dieser Mann, der seinem ganzen Wesen nach Spitzel war, hatte sogar in einer Stunde, die er für seine letzte hielt, alles beobachtet, alles gehört und im Geiste vorbemerkt. Er hatte im Todeskampf, gewissermaßen auf der ersten Stufe jener Treppe, die zum Grabe hinabführt, noch Beobachtungen gesammelt.
    Jetzt nahm er Marius’ Hand und fühlte den Puls.
    »Er ist schwer verwundet«, sagte Jean Valjean.
    »Er ist tot«, erwiderte Javert.
    »Nein. Noch nicht.«
    »Sie haben ihn also von der Barrikade hierhergebracht?« Seine Gedanken mußten ihn sehr in Anspruch nehmen, daß er über diese merkwürdige Flucht quer durch die Kloaken von Paris nicht näheren Bescheid verlangte. So bemerkte er nicht einmal, daß Jean Valjean schwieg. Dieser schien seinerseits nur einen einzigen Gedanken zu haben.
    »Er wohnt im Marais«, sagte er. »Rue des Filles-du-Calvaire, bei seinem Großvater. Den Namen habe ich vergessen.«
    Jean Valjean suchte in Marius’ Rock, zog das Portefeuille heraus, schlug es auf und reichte es Javert.
    Es war gerade hell genug, daß Javert, dessen Augen übrigens an die Nacht gewöhnt waren wie die gewisser Vögel, mit einiger Mühe lesen konnte.
    »Gillenormand, Rue des Filles-du-Calvaire Nr. 6.«
    »Kutscher.«
    Er hatte in der Nähe eine Droschke warten lassen.
    Das Portefeuille Marius’ behielt er bei sich.
    Einen Augenblick später kam ein Wagen an der Rampe, die zur Tränke führt, herab, Marius wurde auf den Rücksitz gelegt, Javert setzte sich neben Jean Valjean auf den Vorderplatz.
    Bald fuhr die Droschke im Trab davon, immer an den Quais entlang, in der Richtung nach der Bastille.
    Endlich verließ sie das Ufer und bog in die Straßen ein. Der Kutscher, eine schwarze Silhouette auf seinem Bock, trieb seine mageren Gäule mit der Peitsche an. Eisiges Schweigen herrschte im Wagen. Marius lag unbeweglich, den Rumpf in die Ecke des Rücksitzes gepreßt, den Kopf auf die Brust herabgeneigt, mit herabfallenden Armen und steifen Beinen; er schien nur mehr auf den Sargzu warten. Valjean schien ein Schatten, Javert ein Stein zu sein. Sooft das Gefährt an einer Laterne vorüberkam, fiel ein Lichtschein flüchtig in das Innere der Droschke und beleuchtete düster diese unheimliche Gesellschaft unbeweglicher Gestalten: einen Leichnam, ein Gespenst und eine Statue.
Rückkehr des verlorenen Sohnes
    Es war schon stockdunkel, als die Droschke vor dem Hause Nr. 6 der Rue des Filles-du-Calvaire hielt.
    Javert stieg als erster aus, überzeugte sich mit einem

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