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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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wird Blutflecken abbekommen – die ganzen Bezüge!«
    Als sie den ersten Schrecken überwunden hatte, schien sich ihr Geist einigermaßen zum Verständnis der Situation durchzuringen, und sie rief:
    »So mußte es kommen!« Es fehlte nur noch, daß sie, wie es bei solchen Gelegenheiten ja üblich ist, darauf hinwies, sie habe es ja vorausgewußt.
    Der Arzt untersuchte Marius, stellte fest, daß der Puls noch schlug und daß der Verwundete an der Brust keine tiefere Wunde hatte. Das Blut in den Mundwinkeln kam aus den Nasenlöchern. Jetzt ließ er den Verwundeten auf das Bett zurücklegen, das Kissen wegnehmen und den Kopf tiefer betten als den Körper, um die Atmung zu erleichtern. Fräulein Gillenormand zog sich, als sie sah, daß Marius entkleidet wurde, zurück, eilte in ihr Zimmer und nahm den Rosenkranz vor.
    Der Rumpf zeigte keine schwere Verletzung. Eine Kugel war durch das Portefeuille aufgehalten worden und hatte, indem sie anden Rippen entlang vordrang, das Fleisch furchtbar aufgerissen, aber keine tiefe, gefährliche Wunde verursacht. Der lange Transport durch das unterirdische Paris hatte allerdings zur Folge gehabt, daß das zerschmetterte Schlüsselbein vollkommen entzweigegangen war. Das gab Veranlassung zu ernster Besorgnis. Der Arm zeigte zahlreiche Wunden, die von Säbelhieben herrührten. Im Gesicht war sonst keine Verletzung, doch war der Kopf ganz zerhackt. Ob diese Wunden tiefer gingen, ließ sich im Augenblick nicht feststellen. Bedenklich war nur, daß sie offenbar die Ohnmacht des Patienten verursacht hatten. Aus solcher Ohnmacht erwacht man zuweilen nicht mehr. Überdies hatte der Blutverlust den Verwundeten sehr erschöpft. Der untere Teil des Körpers war vollkommen unverletzt, da er durch die Barrikade geschützt gewesen war.
    Baske und Nicolette zerrissen alte Wäschestücke und bereiteten Verbände vor. Da man keine Scharpie zur Verfügung hatte, benützte der Arzt zur Stillung des Blutes Watte. Neben dem Bett brannten drei Kerzen auf einem Tisch, auf dem der Arzt sein chirurgisches Besteck vorbereitet hatte.
    Der Arzt schien wenig Hoffnung zu haben. Zuweilen schüttelte er den Kopf, als ob er eine Frage verneine, die er sich selbst gestellt hatte.
    In dem Augenblick, als der Arzt das Gesicht des Patienten abtrocknete und leicht mit den Fingerspitzen die noch immer geschlossenen Lider berührte, ging die Tür des Salons auf, und eine lange, weiße Gestalt erschien.
    Es war der Großvater.
    Er sah das Bett und den blutüberströmten jungen Mann auf der Matratze, die geschlossenen Augen, den offenen Mund, die fahlen Lippen – sah den entblößten Körper und die roten Wundmale im grellen Licht der Kerze.
    Vom Kopf bis zum Fuß durchlief ihn ein furchtbarer Schauder; seine Augen, deren Hornhaut bereits vom Alter gelb geworden war, bekamen einen gläsernen Glanz. Im nächsten Augenblick glich der Schädel einem unheimlichen Totenkopf. Die Arme fielen schlaff herab, die zitternden Finger spreizten sich, die Knie knickten ein.
    »Marius!« stammelte er.
    »Gnädiger Herr«, sagte Baske, »man hat uns Herrn Marius eben gebracht. Er war auf der Barrikade und …«
    »Ach, er ist tot«, schrie der Greis mit furchtbarer Stimme. »Oh, dieser Bandit!«
    Eine seltsame Verwandlung ging in ihm vor; der Hundertjährige wurde zum jungen Mann.
    »Herr«, rief er, »Sie sind doch der Arzt? Sagen Sie mir – er ist doch tot, nicht wahr?«
    Betreten schwieg der Arzt.
    Gillenormand begann furchtbar zu lachen. Er lachte und rang zugleich die Hände.
    »Tot ist er, auf den Barrikaden hat er sich totschießen lassen! Und nur aus Haß gegen mich! Gegen mich hat er das getan! Oh, dieser Bluthund – so kommt er zurück! Er ist tot!«
    Er trat ans Fenster, riß es weit auf, als ob er zu ersticken fürchte, beugte sich hinaus und begann in die finstere Nacht hinauszurufen.
    »Zerstochen, niedergeschlagen, erwürgt, in Stücke gerissen! So muß er enden, der Bandit! Und dabei wußte er ganz gut, daß ich ihn erwartete, daß ich sein Zimmer immer für ihn bereithalten ließ, daß ich sein Kinderbild auf meinem Nachtschrank aufgestellt habe! Er wußte ganz gut, daß er nur wiederzukommen brauchte, daß ich mich seit Jahren nach ihm sehnte und jeden Abend mit den Händen auf meinen Knien am Kamin saß und nicht wußte, was ich tun sollte! Daß ich vor Sehnsucht zuletzt ganz dumm war! Du wußtest es, du brauchtest nur hierherzukommen und zu sagen: da bin ich, und du warst der Herr dieses Hauses, hättest mir auf der

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