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Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition)

Titel: Les Misérables / Die Elenden: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Victor Hugo
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Aufträge. Montreuil sur Mer begann sogar London und Berlin Konkurrenz zu machen. Die Verdienste, die Vater Madeleine aus diesen Geschäften zog, waren so beträchtlich, daß er bereits im zweiten Jahre eine große Fabrik mit zwei geräumigen Werkstätten, einer für Männer, einer für Frauen, hatte einrichten können. Wer immer Not litt, konnte dort vorsprechen und war gewiß, Arbeit und Brot zu finden. Vater Madeleine verlangte von den Männern nur Arbeitswillen, von den Frauen Sittenreinheit und Ehrlichkeit. Er hatte zwei Werkstätten eingerichtet, um die beiden Geschlechter zu trennen und die Frauen und jungen Mädchen von den Männern fernzuhalten. In diesem Punkt war er unbeugsam. Es war die einzige Sache, in der er geradezu unduldsam war. Gewiß war dieseStrenge begründet, denn da Montreuil sur Mer eine Garnisonstadt war, fehlte es nicht an Verlockungen und Verderbnis.
    Im ganzen genommen, war Madeleines Ankunft eine Wohltat, sein dauernder Verbleib ein Geschenk der Vorsehung für diese Stadt. Früher war die ganze Gegend verelendet gewesen; jetzt gedieh alles in einem arbeitsamen Dasein. Der Puls eines werktätigen Lebens belebte und stärkte alles. Arbeitslosigkeit und Elend waren unbekannt. Selbst die Ärmsten hatten etwas, und auch der bescheidensten Hütte fehlte nicht jegliche Freude.
    Vater Madeleine beschäftigte alle.
    Und inmitten all dieser Tätigkeit, die von ihm ausging, erwarb er ein Vermögen, obwohl – höchst sonderbarerweise – nicht seine Hauptsorge diesem Ziel zu gelten schien. Er dachte offenbar mehr an die andern als an sich selbst. 1820 wußte man, daß er bei Laffitte 630 000 Franken deponiert hatte, aber bevor diese Summe beisammen war, hatte er eine gute Million für die Stadt und die Armen verausgabt.
    Das Hospital war in Schwierigkeiten. Er hatte zehn neue Betten gestiftet. Er ließ zwei neue Schulen bauen, eine für Mädchen, eine für Knaben. Den beiden Lehrern setzte er eine Zulage aus, die ihr Gehalt um das Doppelte übertraf, und als sich jemand darüber wunderte, sagte er:
    »Die Amme und der Schulmeister sind die beiden höchsten Beamten des Staates.«
    Auch hatte er auf eigene Kosten einen Kindergarten eingerichtet – damals in Frankreich noch etwas fast Unbekanntes –, auch Unterstützungskassen für alte und invalide Arbeiter geschaffen. Rings um seine Fabrik war ein neues Arbeiterviertel entstanden, in dem viele mittellose Familien Unterkunft suchten; hier hatte er eine Apotheke eingerichtet, in der Heilmittel unentgeltlich abgegeben wurden.
    Zuerst hatten die guten Leute geglaubt, er wäre ein schlauer Kerl, dem es letztlich doch nur auf den Reichtum ankäme. Als dann aber der Segen des Wohlstandes den Ort mehr traf als Madeleine selbst, hieß es: ein Ehrgeizling. Und dafür sprach auch, daß er offensichtlich religiös war und mit einer gewissen Regelmäßigkeit die Kirche besuchte (was damals höchsten Ortes gern gesehen wurde). Jeden Sonntag hörte er eine stille Messe. Der Deputierte des Ortes, der einen Nebenbuhler witterte, fand besonders diesereligiösen Anwandlungen verdächtig. Er war unter dem Kaiserreich Mitglied der gesetzgebenden Körperschaft gewesen und hing den religiösen Anschauungen jener Epoche an. Als er aber den reichen Fabrikanten Madeleine sonntäglich um sieben Uhr die stille Messe besuchen sah, begriff er, was ihm drohe, und entschloß sich, den Nebenbuhler zu überbieten; er nahm sich einen Jesuiten zum Beichtvater und versäumte weder das Hochamt noch die Vesper. Das war eine Zeit, in der, wer ehrgeizig war, nicht ruhen durfte. Die Armen hatten davon ebenso ihren Vorteil wie der liebe Gott, denn der ehrenwerte Deputierte stiftete auch zwei Betten im Spital …
    1819 ging eines Morgens das Gerücht durch die Stadt, Vater Madeleine sei auf Empfehlung des Herrn Präfekten und in Ansehung seiner großen Verdienste um die Stadt zum Bürgermeister von Montreuil sur Mer vorgeschlagen worden. Wer bisher gesagt hatte, der Alte sei nur ein Ehrgeizling, fand die Gelegenheit günstig und hielt den Beweis für erbracht, daß er recht gehabt hatte. Haben wir es nicht gesagt? Ganz Montreuil sur Mer war außer sich. Und das Gerücht war nicht unbegründet. Einige Tage später stand die Ernennung im Moniteur. Am nächsten Tag aber schlug Vater Madeleine die ihm erwiesene Ehre aus.
    Im selben Jahre 1819 waren die von Madeleine erfundenen neuen Erzeugnisse der Jettindustrie auf der Gewerbeausstellung vertreten; auf den Bericht der Jury hin ernannte der

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